Daniela Krien: “Der Brand”

Daniela Krien: "Der Brand"

Desillusion in A-Dur. Trost- und sexlos in der Uckermark.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Brandaktuell ist das Buch „Der Brand“ von Daniela Krien auf jeden Fall. Die Pandemie ist Thema. Es gibt Gesichtsmasken im Gartencenter, und Universitätsseminare werden Online abgehalten. Es gibt depressiv Verstimmte Corona-Geschädigte, aber vor allem gibt es ein Ehepaar, ein Mann, Peter, eine Frau, Rahel, die mühselig die Suppe auslöffeln, die sie sich gemeinsam eingebrockt haben. Das Basale ist Thema des Buches.

„Brot ist noch reichlich da. Sie [Rahel] deckt den Tisch draußen, spannt den Sonnenschirm auf, wässert den tönernen Weinkühler, bis er sich dunkel färbt, und wählt aus ihren mitgebrachten Weinen einen Weißburgunder. Im Kühlschrank findet sie noch zwei Lammknacker, die sie mit einem Seufzer beide Peter überlässt. Seit einiger Zeit isst sie weniger, um ihre Figur zu halten.“

Wer die Bezeichnung verschiedener Yogatypen nicht kennt, oder sie griffbereit haben möchte, dem werden diese geboten, genauso wie verschiedene Rezepte, Kochideen, und Blumennamen, die das Leben im Gartencenter wie im Garten selbst bunter gestalten. Alles rund ums Essen, um die Ernährung, um die Morgengymnastik, um das Älterwerden und gemeinsame Frühstücken wie Abendbrotessen wie wird peinlich genau beschreiben.

„Beim Abendessen legt er die Salamischeiben so auf sein Brot, dass sie den Rand der Brotscheibe nicht überlappen. Die Gurkenscheiben schneidet er exakt gleich dick; die Möhre spaltet er der Länge nach, halbiert die Hälften und legt die Stifte ordentlich aufgereiht neben die Gurkenscheiben. Ein Biss vom Brot, ein Stück Gurke, ein Karottenstift. Brot, Gurke, Karotte. Brot, Gurke, Karotte.“

Die Idee des Buches ist klar: Zurück ins einfache Leben, hinaus in die Uckermark, denn, wie die alten Frauen in dem Buch sagen: „Das Leben war früher nicht besser, aber weniger verrückt.“ Der Plot ist schnell erzählt. Die Frau, Therapeutin, wünscht sich Sex und eine Zigarette danach. Der Mann ist ein depressiver Literaturdozent, der sich in der Debatte um Geschlechteridentitäten angreifbar gemacht hat und nun an seinem schlechten Leumund leidet. Beide fahren nach Dorotheenfelde in die Uckermark, zum Domizil der einstmals besten Freundin von Rahels Mutter, und kümmern sich dort um Haus und Hof, insbesondere um die Tiere (Storch, Katze, Hühner, und Pferd).

„Der Brand“ steht im engen Verhältnis zu Juli Zehs Buch „Über Menschen“ und Helga Schuberts „Vom Aufstehen“, Judith Herrmanns „Daheim“, und „Monschau“ von Steffen Kopetzki. Allesamt betrachten das Ländliche aus der Sicht des Städters. Allesamt stellen viel in Frage, am meisten sich selbst und die eigenen Lebensentscheidungen. Allesamt beschreiben müde Menschen, Menschen, die die Orientierung verloren haben und nach irgendwelchen Wurzeln suchen, nach einem Zuhause, nach Erdung. In „Der Brand“ ist Sex die Erdung. In „Daheim“ ist es die Kunst, in „Monschau“ die Liebe, in „Über Menschen“ die Toleranz, das Gemeinschaftlich-Solidarische, in „Vom Aufstehen“ die Treue und Wahrheit, der Glauben an Gott.

In dieser Hinsicht liefert Daniela Krien einen eigenen Beitrag in dieser Serie von Corona-Romanen. „Der Brand“ handelt aber weniger von Corona als von einer altgewordenen Ehe, von Untreue, von verlorener Lebenslust, und vom Essen.

„Rahel gibt Öl und Essig, Senf, Honig, Zitrone, Pfeffer und Salz in eine kleine Schüssel. Mit einem kleinen Rührbesen schlägt sie die Zutaten, bis sie sämig sind, und kostet dann mit dem Zeigefinger. Sie ist zufrieden. Es sind die Gegensätze, die das Essen schmackhaft machen – süß und salzig, süß und scharf, süß und sauer. Sie wirft einen Blick auf Peter und fragt sich, warum er nicht sieht, dass ihre Andersartigkeit den Reiz zwischen ihnen ausmacht.“

Die phallische Kastration von Peter durch den Geschlechterdiskurs hat Spuren hinterlassen. Die Suche nach einer Vaterfigur hat Sehnsüchte bei Rahel erzeugt. Die Tochter verliebt sich in einen Akustikingenieur und will ihren Bankkaufmann-Ehemann verlassen, und der Sohn fragt sich als Soldat, ob die Nation noch hinter ihm steht, derweil man mit toten Fischen, Fröschen und Mäusen den Storch füttert.

Ich wurde nicht recht schlau aus dem Roman. Er blieb stets an der Oberfläche. Er sagte, was man so sagt, was hier und da Menschen beim Wein sagen, wenn sie sich treffen. Alles plätschert dahin. Es plaudert. Es trauert. Es beginnt irgendwie und hört auch irgendwie auf. Es ist der Roman eines einzigen Aufgebens, einer Oberflächenstarre, und am Ende bleiben alle Fragen offen und die Lesenden seltsam betroffen.

„Ein Verkäufer berät sie zu trockenheitsresistenten Pflanzen, und Rahel entscheidet sich für das Großblumige Mädchenauge und eine rosa blühende Fetthenne.“

Ich weiß wirklich nicht, warum man dieses Buch lesen oder warum man dieses Buch nicht lesen sollte. Es bleibt so weit von allem entfernt, dass ich nicht einmal weiß, ob es okay, gut, oder schlecht gewesen ist. Es hat sich einfach allem entzogen, über alles geredet und nichts irgendwo hinzufügt. Ich rate zu Helga Schuberts „Vom Aufstehen“ oder Friederike Mayröcker „da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete“.

3 Gedanken zu „Daniela Krien: “Der Brand”“

  1. Ich habe es gerade zu Ende gelesen. Ich denke, dass es sehr den Zustand der heutigen Zeit spiegelt.
    Ich würde es aber nicht in die Reihe mit “Daheim” oder “Vom Aufstehen stellen”, denn bei diesen Beiden gibt es eine viel stärkere Intensität, die vermutlich aus einem anderen Umgang mit Sprache herrührt.

    1. Ich habe es auch eher in die Reihe gestellt wegen der Flucht aufs Land, und Zurück zum simpleren Leben. Ich bin sehr begeistert von “Daheim” und “Vom Aufstehen” – insbesondere vom letzteren. Eines der schönsten Leseerlebnisse des Jahres. Mir hat die Eile, stilistisch, von “Der Brand” nicht gefallen. Zeitdiagnostisch passt es in der Tat sehr gut. Aber die Beschreibungen fielen so kurz aus, und alles war in sich so zerrissen und verworren.

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