Dirk Rossmann und Ralf Hoppe: “Der Zorn des Oktopus”

Dirk Rossmann und Ralf Hoppe: "Der Zorn des Oktopus"

Nicht ärgerlich … aber auch nicht gut. Drehbuchskizze für den späteren Film oder Serie?

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Reichlich beworben, hochaktuell und mit brisantem Thema. Keine Recherchen gescheut, ausführlich und investigativ-innovativ. Es besteht aus Buchstaben, nein Wörtern. Manchmal sogar ganzen Sätzen. Es lässt sich nicht nur ansehen, sondern auch lesen. Was kann es sein?! Licht aus. Vorhang auf. Es ist ein Roman. Der Roman und die Fortsetzung von „Der neunte Arm des Oktopus“, nämlich Dirk Rossmanns und Ralf Hoppes Gemeinschaftswerk „Der Zorn des Oktopus“. Der Mega-Bösewicht wagt, wie das Autorenpaar, den Blick in die Zukunft:

„Ich [Amitav Rama Shah] spürte Geschehnisse, die sich aufbauten. Sehr verschwommen, anfangs. Es war wie ein Spiel. Aber ich habe diese Fähigkeiten trainiert, sie stärker und geschmeidiger gemacht. So kann ich manchmal einen Blick in eine andere Ebene, in die Zukunft fühlen. Aber in bescheidenem Ausmaß. Doch darum merke ich, wenn ich einer starken Begabung begegne.“

Die Fortsetzung ist aber eigentlich keine Fortsetzung (kein Oktopus weit und breit). Nur ganz wenige, und auch für die Handlung absolut unwichtige, Figuren wie Bao Wenliang tauchen wieder auf. „Der Zorn des Oktopus“ ist ein ‚stand alone‘ spin-off, und dieses Mal bekommt man viele bedruckte Seiten mit vielen Wörtern für sein Geld. Dumm nur, dass der Roman aufgebaut ist, wie ängstliche Handwerker ein Haus bauen, wenn sie dem zur Verfügung stehenden Material nicht trauen. Sie kleistern alles doppelt und dreifach zu. Beispielsweise beginnen die Kapitel stets mit einer Zusammenfassung dessen, was am Ende des vorherigen Kapitels geschehen ist (wie bei einer Serie). Außerdem gibt es eine Kapitelüberschrift, die auch noch einmal im Text (Ort und manchmal auch die Zeit) wiederholt wird. Manche Figuren werden fünf bis sechs Mal vorgestellt, als hätten die Autoren Angst, man könnte sie vor lauter Eintönigkeit vergessen.

„Der Mann legt auf. Sein Name ist Amitav Rama Shah, der »Guru der Millionen«. Er ist reich, erfolgreich, seine weltweiten Geschäfte expandieren. Und er hat noch viele Pläne.“

„Der fremde Mann war Amitav Rama Shah, einer der einflussreichsten spirituellen Führer der Zeit, außerdem war er Geldgeber und Schirmherr diverser NGOs, auch dieser hier.“

„Wir haben hier offenbar Amitav Rama Shah an Bord. Ich glaube, das war seine Stimme. Und das würde ganz zu ihm passen, Sie wissen schon, der Welt-Guru. Der Reiche. Der Yoga-Typ mit der Stretchlimo.“

„Jeder auf diesem Planeten, der jemals eine Zeitung gescrollt oder ein Magazin aufgeblättert hatte, kannte diesen Mann, Berichte und Fotos, Interviews und Essays waren allgegenwärtig: Amitav Rama Shah. Oder Guru-ji, wie ihn seine Anhänger nannten, Millionen von Anhängern weltweit.“

Die Liste könnte fortgesetzt werden. Fast bis zum Ende des Romans wird einer der Protagonisten noch vorgestellt. Dasselbe gilt für den Quantencomputer, der alle fünfzig Seiten erneut oberflächlich und fehlleitend beschrieben wird, oder für die Popsängerin Ariadna Ferrer Bayonne, von der alle paar Kapitel wieder gesagt wird, dass sie aus Kolumbien stamme, oder die Nobelpreis-würdige Quantenphysikerin Dr. Dr. Liu Lian, dass sie das Aushängeschild der Forschungsnation China sei. Zu allem Überfluss gibt es sogar noch ein Personenverzeichnis. Im Grunde wiederholt sich in diesem eigenartigen Machwerk so ziemlich alles permanent:

„Er [Mamarenko] erhob sich, ließ sich wieder auf die Couch plumpsen, war immer noch wackelig auf den Beinen, wie ein sozialistischer Staat kurz vor dem Zusammenbruch.“

„Pierpaoli kam auf die Beine, an Schuschkas Hand, er konnte stehen, wenn auch so wackelig wie ein sozialistischer Staat vor der Insolvenz.“

Man muss nicht allzu kritisch mit diesem Buch sein. Es ist harmlos, simpel, beinahe freundlich dümmlich. Ärgerliche Ungereimtheiten bleiben aus, oder müssten mühsam an den Haaren herbeigezogen und konstruiert werden. „Die Anomalie“ von Hervé Le Tellier ist dennoch um einiges besser, auch „Der neunte Arm des Oktopus“, vor allem jedoch die Indiana Jones-Bücher von Wolfgang Hohlbein, die haben Schwung, mehr Humor, sind kürzer und billiger, bspw. „Indiana Jones und das Gold von El Dorado“ oder „Indiana Jones und das Geheimnis der Osterinsel“, denn die chilenischen Schamaninnen und der Quantencomputer tragen die Story nicht wirklich, zumal der Protagonist Thomas Pierpaoli zwar um seine Geliebte Ariadna kämpft, aber ansonsten nicht viel Innenleben hat und gefühl- und gesichtslos bleibt wie leider die ganze weite und große Welt von „Die Rache des Oktopus“.

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