Elke Engelhardt: „Sansibar oder andere gebrochene Versprechen“

Elke Engelhardt: "Sansibar"
Spuren einer Lyrik des sanften und zeitgewährenden Zwischenklanges.

Ausführlicher und vielleicht begründeter:  https://kommunikativeslesen.com/2022/…

Gedichtbände haben es heutzutage schwer. Sie drängen sich selten auf. Sie machen nicht viel Aufsehens und Aufhebens um sich. Sie flüstern im Stillen. Elke Engelhardts Buch „Sansibar oder andere gebrochene Versprechen“ stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar, in einer anderen schon. Selten wurde dem Wort so viel Freundlichkeit, Langsamkeit und Sichtbarkeit zugesprochen. Der Gedichtband handelt von Sprachvorsicht:

„Erst muss man die Worte erfinden,
dann kann man sich tragen lassen von der Sprache.
Eine schreibt wie die Duras
(das ist die Duras selbst)
ein anderer zwängt sich in ein zu enges Korsett.“

Elke Engelhardt aus: “Sansibar oder andere gebrochene Versprechen”

Die Besonderheit als Ziel muss den Vergleich mit Marguerite Duras nicht scheuen. Ein Stil kann laut, unverdrossen, unbesorgt, kämpferisch sein. Er kann aber auch durch ruhige Wasser gleiten, sich mit den Dingen befassen, sie in sich aufnehmen, um ihnen ein je sie charakterisierendes Rätsel zu entlocken. Duras schreibt hart auf die Grenze zu. Duras packt die Welt gern am Schopf. Engelhardt tastet hingegen die Grenzen der Sprache ab, ohne je diffus zu werden. Sie spürt der inneren Melodie des Sprachvermögens nach, jenem sanften Rhythmus, in welchem weder Angst noch Verzweiflung obsiegen.

„Der Boden liegt voller Scherben
Sansibar sieht sie an
Man kann sie nie mehr zusammen setzen
denkt er
Von nun an existiert dieses Ding
nur noch in der Erinnerung“

Sich dem Wandel stellen, die Zeit zu verstehen, sich ihr anzuschmiegen und aufzuheben, für Momente schwebend in Erinnerung zu bleiben, danach strebt Engelhardts Dichtung. Die Gedichte sind unterteilt in drei Kapitel, in denen es viel zu entdecken gibt, Gebete, Hoffnungen, Familienerinnerungen, Streitgespräche, Utopien, Kosmisches und Individuelles. Sie fügen sich zu einer Welt zusammen, in der für Momente die Zeit stillsteht, sie anhält, sich besinnt, die Dinge tanzen, die Reime sich verbinden und Möglichkeitsräume eröffnen. Der Stil ist knapp geführt, kurz, nicht idyllisch. Die Wortfarben schlicht. Die Figuration miniaturisiert. Engelhardts Lyrik gleicht einem Singsang mit sanftem Übergang.

„Sansibar hebt sein Glas und prostet sich zu
Auf den Tag ruft er
auf all die Wiederholungen ohne Wiedererkennungswert
auf die Zugbrücken der Angst und darauf dass
wir sie wieder nicht eingeholt haben“

Elke Engelhardts Gedichte verbreiten Zuversicht. Nie ist irgendetwas verloren. Nie ist irgendetwas vergeben. Es liegt in jedem Augenblick die Möglichkeit, ihn über seine Grenzen hin zu erfassen und wertzuschätzen. Wer Louise Glück mag, bspw. in „Winterrezepte aus dem Kollektiv“, oder Sarah Kirsch, oder Paul Valérys Studien und Poesie in „Monsieur Teste“ oder Wolfgang Schiffers „Dass die Erde einen Buckel werfe“ und/oder Henri Michaux in seinen „Dichtungen“, wird mit Elke Engelhardt eine weitere Dichterin finden und kennenlernen, die den Dingen und Bedeutungen Raum gewährt, Schönheit und Freundlichkeit zu entfalten. Eine wahre Erholung für den zeitgeistgepeitschten Geist.  

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