Eva Menasse: “Dunkelblum”

Eva Menasse: "Dunkelblum"

Ein heilloses Durcheinander ohne Fokus. Ein gähnender Abgrund. Viel zu lang.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Eva Menasse hat einen sehr langen Roman geschrieben. Wer viel liest, liest auch gerne lange Texte. Lange Texte haben den Vorteil, dass sie Figuren entwickeln, Parallelisierungen anbahnen, wie eine Sinfonie Melodien andeuten, ankündigen und erahnen lassen, um dann zum großen Finale zu gelangen. Alles löst sich ein. Brahms Erste. Beethovens Neunte. Aber nicht „Dunkelblum“. In Dörfchen Dunkelblum löst sich nichts ein. Alles bleibt beim alten. Es bleibt im Ungefähren.

„Rund um Dunkelblum übersteigt die Anzahl der Geheimnisse seit jeher die der aufgeklärten Fälle um ein Vielfaches. Es ist, als ob die Landschaft, die hier erst noch wie eine saftiggrün bestickte Samtborte aufgeschoppt und gekräuselt wurde, bevor sie abstürzt ins Flache, Gelbe und Endlose, sich grundsätzlich verwahrt gegen das Durchschautwerden.“

Ich war dem Buch sehr wohlgesonnen und habe die ersten fünfzig Seiten mit Wonne gelesen. Viel Witz. Viel Thomas Bernhard, die österreichische Mundart, der Elan im Geschwätzigen, im Kaffeeklatsch, Tratschen und Schwadronieren. Ein Mix Böses à la Elfriede Jelinek. Aber: Nichts davon hat sich aufrechterhalten können. Das Material ging nicht auf. Es entglitt. Es zerbröckelte. Das Kartenhaus brach bereits nach ein paar Karten zusammen und trotzdem bestand die Autorin darauf, so zu tun, als könnte man weiter auf Bodenlosem bauen. Die Figuren sind alle matt. Es sind zu viele. Selbst ein Panorama besitzt eine Perspektive. Nicht so in „Dunkelblum“. Die Pestsäule ist hässlich. Das Schloss ist weg. Die Gräfin verbrämt, und alle sind peinlich berührt.

„Nur ein bisschen Phantasie und es pickte zusammen, Phantasie funktionierte offenbar wie Mörtel oder Montagekleber, sogar das Abgelegenste fügte sich ein.“

Nur was sich mit Gewalt, d.h. mit Beliebigkeit fügt, schließt sich noch lange nicht zusammen, ergibt kein Ganzes. Wer Soßen zubereitet, kocht, weiß dies. Leider begriff dies die Autorin wohl auch selbst und versucht durch Kunstgriffe die Spannung künstlich zu erhöhen. Sie bemühte den Fix-Soßenbinder, indem sie ständig Cliffhanger einbaut, die sie sich dann als falscher Alarm erweisen. Große Geheimnisse werden nicht nur nicht aufgeklärt. Manchmal hat sie es sie auch plötzlich nicht gegeben, und selbst nach vierhundert Seiten werden noch neue Figuren eingeführt, als hätte man nicht bereits den Kopf voll mit all den Trivialitäten, die man sich vorher zu Gemüte gezogen hat.

„Vor Koreny [dem amtierenden Bürgermeister Dunkelblums] auf dem Schreibtisch lag ein Blatt Papier, er hatte es quer gelegt und vier Spalten gemacht: Wasserversorgung / histor. Fund Rotensteinwiese / F. Malnitz, abgängig / allgem. Fragen zur Geschichte, Klammer auf, Kriegsverbrechen, Fragezeichen, Klammer zu. An den Rand hatte er mit dünnem Strich, nur für sich, geschrieben: Grenzsicherheit, polit. Entwicklung Ungarn.“

Das subsumiert den Roman sehr gut. Mehr hätte es eigentlich nicht bedurft. „Dunkelblum“ scheitert am eigenen Vorhaben wie Christoph Hein in „Guldenberg“, Steffen Kopetzky in „Monschau“, und Daniela Krien mit „Der Brand“. Die Beschreibung des ländlichen Lebens gerät langweilig, rückwärtsgewandt, glossenhaft und beliebig. Versatzstücke flüchtiger Gedanke hangeln sich lieblos von Seite zu Seite. „Dunkelblum“ ist eine Montage aus Christian Krachts „Eurotrash“ vermengt mit Christoph Heins „Guldenberg“ und garniert mit einer Prise Thomas Bernhards „Die Auslöschung“ und Elfriede Jelineks „Die Kinder der Toten“.

Schade um die Mühen. Schade um die Zeit. Die gelungene Umsetzung der Idee findet man in Hermann Brochs „Der Versucher“ und in den besagten Romanen von Jelinek und Bernhard.

2 Gedanken zu „Eva Menasse: “Dunkelblum”“

    1. Ich mag die österreichische Art des Erzählens auch sehr, und es gibt an diesem Buch sehr viel zu mögen. Nur nach etwa 2/3 hat sich einfach sehr wenig sprachlich von dem eingelöst, was sich m.E. angekündigt hat. bspw. hätte ich das Interview mit dem Bürgermeister gerne gelesen, näher beschrieben bekommen. Im ersten Drittel gab es sehr schöne Passagen. Da stimme ich völlig überein.

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