Heinz Strunk: “Es war immer so schön mit dir”

Heinz Strunk: "Es war immer so schön mit dir"

Geschrieben mit Ekel, Wut, Abscheu und Verdruss im Bauch.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

„Es ist immer so schön mit dir“ von Heinz Strunk ist ein typischer Liebesroman. Es geht um einen vierzigjährigen Tontechniker, der tief in der Midlife Krise steckt, zermürbt vom ausgebliebenen Erfolg, ernüchtert von der eigenen Unsportlichkeit, tief getroffen von der ausbleibenden Anerkennung seiner Mitwelt flüchtet sich der Protagonist in Sexgelüsten, in eine junge Freundin, trennt sich von seiner Lebensgefährtin und hofft noch mal auf das ganz, ganz große Glück.

„Ein aufrecht stehender Sack voller Eingeweide. Qualliges, lilienweißes Fleisch. Was ist lappiger, die Haut oder das Fleisch? Aber das Beste kommt wie immer zum Schluss: der SACK. Ob sich so ein trauriger Sack noch liften ließe? Doppelte Hodenstraffung mit Schwanzbegradigung und Schwellkörpererweiterung. Was er da sieht, hat nun gar keinen Marktwert mehr. Kann er sich gleich morgen mit den anderen Ausgeleierten und Verwelkten zusammentun.
«Geil, geiler Typ, echt geiler Typ», murmelt er vor sich hin.
«Einfach nur noch geil.»“

Was wie eine Satire klingt, ist auch eine. Leider besitzt der Roman von Strunk keine Leichtigkeit, keine Liebe zu den handelnden, sprechenden, beschriebenen Figuren. Aus jeder Zeile sprießt und prangt Ekel und Abscheu vor sich und der Welt. Der Protagonist stolpert, lügt, betrügt, gleitet von einer Ungereimtheit in die andere. In kurzen, abgehackten Sätzen werden triste Phantasien, platte Urteile, und klischierte Weltweisheiten kundgegeben, die als solche beschrieben, nichtsdestotrotz sätzelang wiedergegeben werden. Der Roman ist nicht langweilig. Er ist nur traurig, ja, er beschreibt ein zerstörtes Leben, aber ohne dass die Beschreibung der Zerstörung, den faden, missmutigen, leeren, lebensfeindlichen Gedanken und Träumen etwas hinzufügen könnte. Nüchtern, karg werden die leeren Tage des Protagonisten abgehandelt, unempathisch, gefühllos, aalglatt und kalt Urteile von sich geben, alles in Grund und Boden geschimpft, ohne Witz, ohne Freundlichkeit und auch ohne Wortgewandtheit. Es ist beinahe, als würde man Fußballfans nach einem verlorengegangenen Fußballspiel zuhören, nur geht es ums Leben, das große Ganze und nicht nur um das Nationalteam.

„Was mag er fühlen, wenn er ihren dünnen Leib begeifert und begrapscht, wenn er ihr Gesicht abschlabbert wie Wild einen Salzleckstein.“

„Es ist immer so schön mit dir“ erinnert in seinem Ekel und Verdruss der „Blechtrommel“ von Günther Grass, nur ohne geschichtsumgreifende Perspektive. Wer eine Sammlung der hässlichen Wörter der deutschen Sprache sucht, kommt voll auf seine Kosten. Humor gibt es nicht. Weder Ironie, Satire, noch Witz. Im Grunde ist alles einfach nur Mist.

Hinzukommt, dass der Roman eine Verschlimmbesserung des Romans „Stiller“ von Max Frisch ist, diesen einfach mit Kraftausdrücken schlecht kopiert. Dort heißt die Ehefrau Julika, nicht Julia, der Ehemann ist auch Künstler, Bildhauer und kein Musiker, und eine Ehekrise, um eine kränkliche, anämische Lebenspartnerin steht ebenfalls im Zentrum des Geschehens. Ganz anders aber als Strunks Roman besitzt Frischs „Stiller“ einen intellektuellen Tiefgang, Verzweiflung der positiven Art, einen Wunsch nach Freiheit, Bejahung des Lebens, einen sprachlichen Schwung, den man in Strunks Roman vergeblich suchen wird. Die Depression steht allen ins Gesicht geschrieben. Selbst das Hetzen, das Aburteilen, das Verachten besitzt keine Enerviertheit wie Thomas Bernhard sie in „Die Auslöschung“ vorexerziert, um nur ein Beispiel zu nennen. Noch besitzt der Roman die depressive, masochistische Verausgabung einer Elfriede Jelinek in „Die Klavierspielerin“. Ganz zu schweigen, dass irgendwo die tiefe Melancholie von „Malina“ einer Ingeborg Bachmann erreicht werden würde.

„Ein widerwärtiger, faulig-süßlicher Gestank breitet sich aus. Nicht nur der Geruch selbst ist ekelerregend, sondern auch die Assoziationen, die er auslöst: in Zersetzung begriffene Frikadellen, vergorener Kartoffelsalat, halb verdaute Würstchen.“

Der Fäkalhumor ist pubertär, das Frauenbild unterirdisch, die Metaphern schlecht und sinnlos und lieblos zusammengezimmert. Es bleibt nicht viel übrig von „Es ist immer so schön mit dir“ – denn von Schönheit, Anmut, Emotion und Liebe, von Romantik, Hoffnung, Schmerz und Passion keine Spur. Der Roman ähnelt einem Snack am Imbiss zwischen frustrierten Bauarbeitern, die beim Flachmann über ihre Lebenspartnerin herziehen und ihren Chef zum Teufel wünschen, während sie flatulieren, rülpsen und aggressiv eine weitere Runde Bier bestellen. Jeder „Werner“-Comic und Film hat mehr zu bieten, nämlich Witz und Lebensmut. Wer jedoch gerne recht behält, dass alles zum Schlechtesten steht, alle irgendwie scheitern oder Glück gehabt haben, also seinem Selbstmitleid altmännlichen Ekel beimischen möchte, der wird mit Heinz Strunks Roman viel Freude haben. Ich hatte definitiv keine.

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