Helga Schubert: “Vom Aufstehen”

7 von 5 Sternen! Auf Taubenfüßen brillant – ein wunderschönes poetisches Buch übers Altwerden.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Helga Schubert schreibt über ihr Leben, über das schwierige Verhältnis mit ihrer Mutter, über die Sorgen, die Politik, übers Leben zwischen den Staaten, die Wende, den Krieg, die Flucht, darüber, wie sie zum ersten Mal durch das Brandenburger Tor ging, wie sie lebt, schreibt, denkt und fühlt, und Finnland das Land der Sehnsucht ihrer hartherzigen Mutter gewesen ist.

Ihre Sprache ist Poesie. Ihre Sätze kurz, knapp, klar und schön. Sie schreibt nahe am Märchen, verzaubert zutiefst, schafft es, Ruhe in die Wörter zu bringen, Hoffnung zu wärmen, sie sanft und freundlich am Leben zu halten. Alles wird gut, sagt sie, serviert den heißen Apfelkuchen mit Schlagsahne, und lächelt. Ihre Geschichten handeln von so viel Schmerz, Enttäuschung, von so viel Missverständnissen, Grausamkeiten, von Irrungen und Wirrungen, denen sie nichts als ihre Wärme, Geduld und Freundlichkeit entgegenhalten kann.

Was Helga Schubert schafft, schaffen wenige, nämlich das Politische zu reaktualisieren, indem es zum Hintergrund des Geschehens wird. Sie positioniert sich gütig, geht aufrecht, erinnert an Ernst und Karola Bloch und vermeidet jedoch jeden barocken Kitsch, jeden gutgemeinten Aufklärungs- und Verurteilungswahn.

„Denn ungehindert dringt das Gemälde, das Menschengesicht, das Gedicht in mich und sagt zu mir: Sieh mich an, höre mir zu, lass dich anrühren, lass dich erinnern an alles, was du schon weißt, was dich erschüttert hat.“

Helga Schubert, Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin 2020, hält das Versprechen am Leben, das LiteratInnen verbinden, Brücken schlagen, Worte finden und schmieden, um besser leben, sprechen, handeln zu können. Eine deutschsprachige Agustina Bessa-Luis mit ihrer „Sibylle“, die „Glasglocke“ von Sylvia Plath nur ohne Verzweiflung, „Stadt der Engel“ und „Kassandra“ von Christa Wolf nur in Mecklenburg-Vorpommern.

Ich habe seit sehr Langem nichts Besseres gelesen. 7 von 5 möglichen Sternen voller Dankbarkeit.

4 Gedanken zu „Helga Schubert: “Vom Aufstehen”“

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