Irvin D. Yalom und Marilyn Yalom: “Unzertrennlich: Über den Tod und das Leben”

Irvin D. Yalom und Marilyn Yalom: "Unzertrennlich: Über den Tod und das Leben"

… nichts für Zartbesaitete. Ein Memento, ein Aufbegehren, eine Rosskur.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Der Titel des Buches „Über den Tod und das Leben“ weist schon auf das Wesentliche hin. Es geht tatsächlich um das, was zwischen Leben und dem Tod stattfindet, das Sterben. Was jedoch in diesem Text stattfindet, ist etwas Außergewöhnliches, ein Zwiegespräch zweier Liebenden, ein Abschied, ein herzzerreißendes Plädoyer dafür, das Leben nach eigenen Wünschen zu leben und zu beenden.

„Sie [Marilyn] hatte eine ausgezeichnete Woche: kaum Übelkeit, ein wenig Appetit und etwas mehr Energie. Sie verbringt immer noch einen Großteil des Tages damit, dösend oder die große Eiche im Garten bewundernd auf der Couch im Wohnzimmer zu liegen. Und zweimal in dieser Woche war sie bereit, die dreißig Meter zum Briefkasten zu gehen.“

Sie, die nicht mehr kann, nicht mehr will, und er, der nicht loslassen möchte, noch dazu imstande ist. Ein Schwanken, ein innerer, an den Nerven, an der Lebensfreude nagender Zweifel. „Unzertrennlich“ zeigt, dass selbst das glückliche, satte, im Kreis liebender Verwandte und Freunde geführte Leben vor dem harten Aus steht, wie jedes Leben, denn vor dem Tod sind alle gleich: ob als geliebte oder ungeliebte, ob als erfolgreiche, weltbekannte oder unbekannte, stille Menschen.

Was dieses Buch aber eigentlich ist, über die Phrasen hinaus, ist ein Briefwechsel des Vertrauens und Zutrauens, der Versuch, sich auf den letzten Schritten noch gegenseitig Kraft zu geben, wenn es körperlich nicht mehr möglich ist. Der zerfallende, schwächliche, inkontinente Körper lässt die Sprache unberührt. In der Sprache treffen sich beide. In der Sprache bleiben sie die alten, die Historikerin, der Psychoanalytiker, im Gewande ihrer Begriffe, ihrer Pläne und Ausdrucksbemühungen.

Das Buch ist weniger Literatur als Sachbuch, als Briefwechsel, als Autobiographisches. Es ist Literatur dort, wo die Sprache verdeckt, verhüllt, dort, wo diese Zuflucht gibt, aber nicht in einer schnörkeligen, einfallsreichen Sprache. Nein, die Sprache ist einfach, schmerzhaft simpel. Sie bleibt aber Sprache, unberührt vom Tod. Sie bleibt Kommunikation, Gespräch, Selbstgespräch, eine Brücke zwischen Interessierten, Liebenden, zwischen Wollenden und Begehrenden, aus dem Dunkel eines Selbst in das Licht hinaus. Das Buch lebt vom Rhythmus, als Ganzes, nicht in den Passagen, sondern als Pfeifen im dunklen Walde, als Mond in einer sternfinsteren Nacht.

Ich empfehle dieses allen, die sich dem Schmerz, den Tränen öffnen möchten. Weiterhin zu empfehlen: Helga Schubert „Vom Aufstehen“ und „Die Zeremonie des Abschieds“ von Simone de Beauvoir. Bücher ohne happy end, aber mit Kraft und Zuversicht, Elan und sprachlich vermittelter Lebensfreude.

PS. Ich empfehle aber auf das Lesen des Nachwortes von Regina Kammerer erst nach ein paar Stunden. Es wirkt seltsam, ein so langes, m.E. viel, viel zu langes Nachwort von einer Unbeteiligten zu lesen. Es hätte als Vorwort viel besser gewirkt (Spoiler kann es nicht geben) und wäre respektvoller gewesen, dem trauernden Ehemann, dem Paar, das voneinander Abschied genommen hat, das letzte Wort zu überlassen.

Ein Gedanke zu „Irvin D. Yalom und Marilyn Yalom: “Unzertrennlich: Über den Tod und das Leben”“

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