Sebastian Hotz: „Mindset“

Mindset

Die Vorbereitung auf ein Lehrstück, das noch nach seinem Gegenstand sucht.

Konzeptromane entstehen am Reißbrett. Eine zündende, eine wie auch immer geartete kommunikative Idee treibt sie. Auf diese eine einzige Idee kommt es an, und alles andere wird ihr untergeordnet. Sebastian Hotz hat einen solchen Roman geschrieben. Er ist mit dem Titel „Mindset“ auf den Markt gekommen und hat sehr viel gemein mit Constantin Schreibers „Die Kandidatin“ oder Maxim Billers „Der falsche Gruß“. Ein gewisses Sendungsbewusstsein nimmt in ihnen die Sprache an die Kandare:

„Als sich schließlich Mirkos nackte Füße auf den grauen Teppich senken und sich die dort befindende Mischung aus abgestorbenen Hautzellen, Flusen, Haaren und undefinierbarem Staub auf ihre Sohlen heftet, wird aus der düsteren Vorahnung eine Gewissheit: Der Beginn eines neuen Tages ist auch heute unvermeidbar.“

Wie Schreibers „Die Kandidatin“, Billers „Der falsche Gruß“ so hat auch „Mindset“ ein klares Feindbild und dieses vorzuführen, ja, lächerlich und armselig erscheinen zu lassen, darin erschöpft sich die Idee dieser Sorte von Romane. Der Antipath in „Mindset“ heißt Maximilian Krac, der eine Selbsthilfegruppe von Möchtegern-Wölfen leitet, zu der auch Mirko Mihalic, ein IT-ler gehören will. Der Roman beginnt mit einem Meeting der Genesis Ego-Gruppe, bei dem sich Maximilian bei der Hotelrezeptionistin Yasmin Kara unbeliebt macht:

„Krach! Der Wichser von gestern. Der, der ihr [Yasmin] den Kopfhörer aus dem Ohr geschnipst hat, nach dem sie, als er endlich weg war, in würdelos gebückter Haltung den Boden absuchen musste. Das kleine dreckige Arschloch mit seinen widerlichen Anzugfreunden, die alle aussahen wie er, sich verhielten wie er und sie genauso abschätzig musterten, wie er es tat.“

Während Yasmin Maximilian Krach ans Leder will, möchte Angela Bauer Mirko vor der Genesis Ego-Gruppe bewahren, die Muttergefühle für ihn entwickelt hat und die gute Seele in dem Betrieb ist, in dem Mirko und sie arbeiten. Der Plot erschöpft sich nun darin, dass Krach sein sogenanntes Business auf einer Social-Media-Lüge aufbaut, die nach und nach auffliegt. Hotz beschreibt dies mit denkbar einfachen Mittel und Sätzen, die jedwede Melodie, Poesie, jedwede Adjektivistik und Beschreibungsdynamik missen lassen. Lediglich deutlich wird eine gewisse Abneigung gegen Mülheim an der Ruhr, die nur von der gegen Gütersloh getoppt wird:

„Die Provinzialität des Gütersloher Bahnhofs erschlägt Yasmin förmlich. Mülheim, dessen Tristesse ihr vollauf bewusst ist, gibt sich wenigstens etwas Mühe, den Anschein eines urbanen Raums zu geben, in Gütersloh scheint man selbst dem hoffnungsvollsten Neuankömmling noch vor dem ersten Schritt in die Stadt jede Hoffnung nehmen zu wollen.“

Was bleibt? Nicht viel. Sebastian Hotz‘ Roman liest sich wie platt und konstruiert, ohne jedwede Überraschung. Maximilian Krach als „American Psycho“, nur ohne Sex und Gewalt. Genesis Ego als „Die Welle“, nur ohne Psychologie und Dynamik. Der Ruhrpott und Ostwestfalen wie in „Der Markisenmann nur ohne Romantik, Humor und Fröhlichkeit. Sozialkitsch wie in „Ein Sommer in Niendorf, nur ohne Rausch, Verzweiflung und Weltflucht. Es gibt keine Freundschaft, keine Verbindlichkeit, keine Sentimentalität wie in „Was ich nie gesagt habe. Nur eine abstrakte Wut auf irgendwie geartete Verhältnisse und irgendwie geartete Individuen, die dieses stützen, eine Wut aber, die in den Sätzen verpuffen wie ein feuchter Knaller. Mit gutem Willen der Vorläufer also eines Lehrstücks, das noch nach seinem Gegenstand sucht.

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