Steffen Kopetzky: “Monschau”

Altmännerphantasien ohne Schwung und Elan – züchtig und herzlos bis zur letzten Zigarette.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Eine Zeitreise in die Eifel der frühen 1960er der Bundesrepublik Deutschland. Es geht um Alt-Nazis, Aufarbeitung der Vergangenheit, um das Wirtschaftswunder, um Wernher von Braun, um alte Männer, die zu viel essen, humpeln, Kriegsverbrechen begangen haben, um geläuterte Nazi-Ärzte und NSDAP-Mitglieder, um einen griechischen Einwanderer, der sich in eine Sartre lesende, Beauvoir zitierende Konzern-Erbin verliebt, also um das einfache und doch so schwierige Leben der Schönen und Reichen der bunten Nachkriegszeit, die gerne Jazz hören und mit Pocken und Krankheiten nichts zu tun haben möchten.

Karneval, Astronomie, viele historische Details über Kennedy, über Junghans Produkte, über Unwetter in Hamburg und die Etappen einer Pockenerkrankung täuschen nicht darüber hinweg, dass der allwissende Autor konstruiert, die Geschichte auf dem Reißbrett zusammengezimmert und maßstabsgetreu umgesetzt hat. Eiskalt, gerade herzlos wird die biedere Geschichte der beiden Protagonisten erzählt, Vera und Niko. So vorhersehbar, so geradlinig wie eine Reportage in Spiegelmagazinlänge wird die Sprache durch die Story gepeitscht, dass einem die Lust am Lesen vergeht wie bei diesem Satz:

“Beiden war klar, dass sie sich jetzt umarmen würden. Sie hatten ja vorher schon so schön beieinandergestanden. Da war es noch nicht gegangen. Jetzt musste es sein.”

Wer Altmännerliteratur mag, ohne Poesie, ohne Lebensfreude, wer sich züchtige Unterhaltung à la ‚Mad Men‘ mit einem Aquavit zu Gemüte führen will, also wer auf Emotionen, Lyrik, auf Zwischentöne verzichten möchte, die Welt in Schwarz-Weiß liebt, der sollte zugreifen. Langweilig und professionell geschrieben. Der Roman liest sich wie eine Auftragsarbeit vom WDR, um aus der Distanz aktuelle Probleme sozialkritisch zu beleuchten, ohne auf den kleinen Thrill zu verzichten, dass hinter den hellen Zimmern einer Villa ja rehäugige Frauen auf Rettung durch ihre kretischen Ritter warten.

Eine klischierte Männerphantasie mit gebremstem Schaum. Ich empfehle von Alfred Andersch ‚Winterspelt‘ oder ‚Kirschen der Freiheit‘ stattdessen, oder Wolfgang Hildesheimer ‚Nachtstück‘, und wenn es gar nicht anders geht und der Niedergang eines Unternehmens interessiert, eben das Original nämlich Thomas Manns ‚Buddenbrooks‘, oder doch lieber gleich ‚Alexis Sorbas‘ von Nikos Kazantzakis, um wieder Freude am Lesen zu bekommen. ‚Monschau‘ ist nur ein komponiertes, herzloses Retortenstück.

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