Valerie Fritsch: „Zitronen“

Elegisch-mythomanisch aufgebautes narratives Kartenhaus, das sang- und klangvoll zusammenfällt.

Valerie Fritsch legt mit Zitronen abermals einen sentimental-stoisch aufgeladenen, barocken Roman vor, der mit lyrisch aufgeladenen Sätzen eine grausige, erkaltete bukolische Dystopie beschreibt und so an ihren 2015 erschienen Roman Winters Garten anschließt, der ihr zum Durchbruch verhalf. Abermals steht eine agrarisch-gefärbte Welt, eine Familie im Zwiespalt und eine dunkle Romantik im Vordergrund:

Nun war es ein Unterstellplatz für die Menschen, eine Garagenkapelle ohne Kanzel, eine Rumpelkammer mit Volksaltar und blecherner Monstranz, voll von Ikonenbildchen, abgebrannten Kerzen und den Ramadan-Laternen des letzten Zuckerfests. Die blauen Augen starrten lidlos gegen den bösen Blick. In einer Schatulle in Form einer Hand, die wie das Endglied eines unsichtbaren Arms schwer auf einer Holzkiste lag, war Gerüchten zufolge die Fingerkuppe eines Heiligen verwahrt, aber als jemand sie nach Jahren öffnete, fand sich nichts als eine tote Fliege darin.

„Valerie Fritsch: „Zitronen““ weiterlesen
Die mobile Version verlassen