Gaea Schoeters: „Trophäe“

Trophäe

Auf der Jagd nach einer Logik des Tötens, die aber leer ausgeht. Ein literarischer Entfremdungsprozess.

Tabuthemen locken das Schreiben, wie das Licht die Motten anzieht. Sei’s die Pädophilie aus der Sicht eines Täters zu beschreiben wie in Vladimir Nabokovs „Lolita“. Sei’s den Holocaust aus Sicht der Täter zu beschreiben wie Jonathan Littell in „Die Wohlgesinnten“ oder das pure, wahllose Töten wie Bret Easton Ellis in „American Psycho“, um nur einige Beispiele zu nennen. Wie im letzteren Roman beschreibt nun Gaea Schoeters in „Trophäe“ einen von Gewalt und Sex besessenen Wallstreet-Mann namens John Hunter White, dessen Lebensinhalt sich um das Großwildjagen in Afrika und den Sex mit Frauen dreht:

Sein ganzer Körper sehnt den Moment herbei, in dem er genau wie Theodore Roosevelt vor über einem Jahrhundert Auge in Auge mit einem der gefährlichsten Tiere der Wildnis stehen wird, sich vollkommen darüber im Klaren, mit einer winzigen Bewegung seines Fingers das Leben des Kolosses beenden zu können, des letzten nahezu prähistorischen Wesens, und in dem Wissen, dass all diese Kraft folglich seinem Willen unterworfen ist. Denn nur er, Hunter, und niemand anderes, steht ganz oben in der Nahrungskette.

Die Großwildjagd als Tabuthema reicht indes nicht aus. Zwar will Hunter seine Big Five vollmachen und hierfür fehlt ihm noch das unter Naturschutz stehende Nashorn, als es aber zu Zwischenfällen kommt, die das zu verhindern drohen, lässt er sich von seinem Buddy zu den Big Six überreden, nämlich das eigene Morden mit dem Erschießen eines Menschen zu krönen. Das Hauptinteresse von Schoeters liegt in „Trophäe“ aber auf der ambivalenten Psychostruktur des Protagonisten, der sich zum Töten berufen fühlt, aber nur unter dem Deckmantel der Rechtmäßigkeit:

Genau aus solchen Gründen ist die Jagd eine Form des Artenschutzes, und deshalb ein artgerechter, ehrenhafter Sport, und das Wildern ein schreckliches Verbrechen. Der Gedanke, dass der Bodensatz der Gesellschaft sein Nashorn gleich mit einem Streifschuss umlegt, um ihm danach mit einem Beil zu Leibe zu rücken und die Hörner illegal zu verkaufen, treibt Hunter zur Weißglut. Er, er allein, hat das Recht, dieses Nashorn zu töten […]

Wenig überraschend lässt sich aber eine Psyche, die durch die halbe Welt reist, um Tiere und Menschen zu töten, und mit der eigenen Frau nur schlafen, aber nicht reden will, nicht wirklich ergiebig ergründen. Die verwendeten Superlative, Objektivierungen, Metaphern und Umschreibungen führen nicht in das Herz der Finsternis. Sie stammen allzu sehr von Kino-, Roman- und Comickonsum ab, wie Szenen vermeintlich großer Intensität des Textes illustrieren, bspw.:

Der Geruch des Todes. Obwohl der Junge noch atmet, riecht er schon nach dem Tod. Schockiert lässt Hunter ihn los und taumelt zurück. !Nqate sackt am Baum zusammen, der Kopf prallt kurz zurück, als er auf den Stamm trifft, das Geweih löst sich und rutscht schief herunter. Es hat etwas grauenhaft Komisches. Wie eine Figur aus einem Stummfilm, balancierend auf der Grenze zwischen grotesk und lustig, sitzt er da, schaut Hunter an und macht keinen Mucks.

Erzählerisch reißerisch, auf den Effekt hin komponiert, simuliert der Roman einen Tiefgang, den er nirgendwo ansatzweise sprachlich und argumentativ einlöst. Dieses Problem teilt „Trophäe“ mit vielen Romanen über Tabuthemen. Sie versuchen oft das Unmögliche, nämlich dem Grausamen, Ungeheuerlichen charakterlogische Plausibilität oder eine menschliche Stimme zu verleihen. Jene wäre aber eine sich kommunikativ verständigende Reflexion und gegenseitige Unterstützung, die in solchen Belangen wie das lusterfüllte Morden, Töten und Zerstören zumeist aber für die meisten versagt bleibt.

Hunter White bleibt so leer, plakativ, gewollt, klischiert wie seine Taten monströs. Ein einfacher, blutrünstiger Racheroman, in dem die Buschmänner die Wilderer und Jäger, die ihre Welt zerstören, jagen und töten hätte vollauf genügt.

Inhalt: 3/5 Sterne (teilweise spannende Jagdszenen)
Form: 1/5 Sterne (Phrasen und Werbesprache)
Komposition: 1/5 Sterne (unsichere, wabernde personale Erzählweise)
Leseerlebnis: 2/5 Sterne (flüssig, aber effekthascherisch)

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