Jon Fosse: „ Der andere Name“

Der andere Name

Das Bewusstsein im Moment kurz vor seinem Verlöschen, Erzählung ohne Erzählung, oder was bleibt, wenn nichts mehr bleibt. Eine literarische Katharsis.

Eine der Begründungen für die Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahr 2023 an Jon Fosse lautet, dass Fosse dieser dem Unsagbaren eine Stimme verleihe. In seinen eigenen Aussagen führt er dies näher aus, nämlich als das Schreiben eines Erzählers, der sich an der Grenze zwischen Leben und Tod befindet:

„[…] bald sind wir dort, denke ich und ich gehe weiter und ich schaue auf den Hund, der sich seinen Weg durch den Schnee bahnt, und er scheint etwas müde geworden zu sein, er keucht schlimm, denn es ist ein kleiner Hund und er hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, also bleibe ich stehen und hebe den Hund auf und dann gehe ich weiter, den Hund auf dem Arm, und ich denke nichts und es schneit immer weiter und kein Mensch ist zu sehen und es schneit immer weiter […]“

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Daniel Kehlmann: „Lichtspiel“

Lichtspiel

Etwas unausgegoren zuerst, im letzten Drittel entschieden und dicht erzählt, mit argen Schwächen in der Metaphorik und der biederen Dialogführung, dennoch als Phantomschmerz überzeugend.

Ausführlicher und vielleicht begründeter auch auf kommunikativeslesen.com

Daniel Kehlmann nimmt sich historisch verbürgte Szenerien und wandelt und füllt und lädt sie mit seinem magischen Realismus auf. Gemäß dieses Schreibvorhabens nimmt er sich in seinem neuesten Roman „Lichtspiel“ die letzten Lebensjahre des bekannten Regisseurs Georg Wilhelm Pabst an. Kehlmann nennt am Ende seines Buches den Grund seines Buches:

G.W. Pabsts Film ‚Der Fall Molander‘ wurde in den letzten Kriegsmonaten in Prag gedreht, das Material ist jedoch verschollen. Über die Umstände der Dreharbeiten ist nichts Konkretes bekannt.

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Ulrike Sterblich: „Drifter“

Drifter

Kurzweiliges Panorama über das Mögliche und Unmögliche, das Wahrscheinliche und Unwahrscheinliche im postmodernen Großstadtleben. Surrealistisch konstruktiv Verwirrung stiften.

Ungebremste Fabulierlust besitzt Seltenheitswert. Nur wenige trauen sich, einfach drauflos zu erzählen. Nur wenige lassen die Zügel schießen und geben ihren jeweiligen, sich ergebenden, spontan erscheinenden Einfällen nach. Nur wenige vertrauen ihrer Erzähl- und Wortschmiede- und Kompositionskunst so sehr, dass sie Plot, Bedeutung und Realismus gänzlich hinter sich lassen können, um sich ihrer Phantasie und Narration rückhaltlos hinzugeben. Ulrike Sterblich gehört, zumindest nach ihrem Roman Drifter, dazu.

«Keine Ahnung, kann ich nichts zu sagen.»
Nee, klar. Konnte [der Buchhändler] nichts zu sagen, was sollte er denn auch wissen? Von dem Buch, dem Hund, der Frau, von den Pferden, dem Gewitter und dem Blitz, der meinen besten Freund über die Rennbahn geschleudert, ihm die Haare versengt und sich auf seiner Haut eingebrannt hatte. Er wusste nur, was sein Computer ihm sagte, und der Computer sagte: Nein.

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