Haruki Murakami: „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“

Mühsam verkitteter Allegorie-Exzess, oder wie Sprache gegen sich selbst kämpft und das Erzählen dabei auf der Strecke bleibt. Seltsam nahe am Bedeutungsnirwana.  

Ob es an der Übersetzung liegt (mir wurde versichert, dass nicht), Stilist ist Haruki Murakami jedenfalls nicht. Auch in „Die Stadt und ihre ungewisse Mauer“ hakelt und radebricht es von Seite zu Seite im Stolperschritt:

In diese diffusen Gedanken versunken, schritt ich durch die abendliche Dämmerung. Auf Höhe des Uhrturms warf ich gewohnheitsmäßig einen Blick auf die zeigerlose Uhr, die nicht die Zeit anzeigte, sondern deren Bedeutungslosigkeit veranschaulichte. Die Zeit ist nicht stehen geblieben, hat aber ihre Bedeutung verloren.

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Bernhard Schlink: „Das späte Leben“

Das späte Leben von Bernhard Schlink

Von der Belanglosigkeit des Unvermeidlichen … ein ziemlich schwacher Trost voller Fragezeichen.

Schlink wählt sich gern die großen Themen: Die Vergangenheitsaufarbeitung Nazi-Deutschlands in „Der Vorleser“, der Rechtsradikalismus und die völkischen-identitären Gemeinschaften in Ostdeutschland in „Die Enkelin“, nun der Krebstod in „Das späte Leben“:

Der Arzt schüttelte den Kopf. »Wenn die Wirbelsäule betroffen ist …« Er strich das zerknüllte Papier glatt. »Herr Brehm, wir haben vor Jahren einmal über den Tod gesprochen, erinnern Sie sich?«

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Benjamin Labatut: „Maniac“

Maniac

Krachend, fesselnd, explosiv … aber knallhart, mit Wucht am Gegenstand vorbei geschrieben.

Würde ich nochmal ein Buch von Benjamin Labatut lesen? Ja, aber hoffentlich geht es um Jugendbanden, um Boxkämpfe, um wütende Jünglinge, die sich die Hörner abstoßen und der Vergeblichkeit ihres Tuns innewerden. Ich wünsche mir, es spielt in Kolumbien, in den Banlieus von Paris, im Kreuzberg eines verwüsteten Berlins wie Tim Staffels „Terrordrom“, aber nicht in Harvard, am MIT, in Cambridge oder Oxford und reflektiert nicht wutentbrannt über Theoretische Physik, Kybernetik und künstliche Intelligenz, sondern wo der höchste und beste Kick zu finden ist und von welchem Hochhaus es sich mit einem Hängegleiter oder Deltasegler am besten zu springen lohnt, um einen heftigen und langen Ausblick auf die Stadt zu genießen. Doch leider passiert nachgerade das Gegenteil in „Maniac“

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George R.R. Martin: “Die Herren von Winterfell”

Die Herren von Winterfell

Unterhaltsamkeit: 4 Sterne. Pacing: 3 Sterne. Figurenensemble: 2 Sterne. Sprachvergnügen: 1 Stern. Ein holpriger Einstieg. Bis auf einige Stellen sehr fixiert auf Äußerlichkeiten.

G.R.R. Martins „Das Lied von Feuer und Eis“ springt in seiner Erzählform zwischen den Schauplätzen umher. Die Schnitte sind hart, und auch die Erzählzeit variiert stark. Weniger die Innerlichkeit der Figuren spielt eine Rolle, als deren dialogische Wechselwirkung und Kostümierung, so dass der Roman teilweise eher einem Drama oder Theaterstück oder Operatte entspricht. Die reflexive, sich weitende epische Möglichkeit des Romans wird nicht ausgespielt. Martin kommt schnell und hart zur Sache:

„Bei dieser verfluchten Hitze war die halbe Stadt wie im Fieber, und jetzt mit all diesen Besuchern … gestern Nacht gab es einen Tod durch Ertrinken, eine Massenschlägerei in einer Taverne, drei Messerstechereien, eine Vergewaltigung, zwei Brände, Räubereien ohne Ende und ein alkoholisiertes Pferderennen auf der Straße der Schwestern. In der Nacht davor wurde im Regenbogenteich der Großen Septe der Kopf einer Frau gefunden.“

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