Jürgen Habermas: „Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit“

Hilflos und haltlos durchs Internet-Zeitalter.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022/…

Unter dem Titel des neuen Aufsatzes von Jürgen Habermas „Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit“ lässt sich viel vermuten. Es könnte eine Untersuchung des Internets sein als mediale Struktur und kommunikationsverändernde Technologie. Es könnte auch auf eine Studie zur Stimmung und Demokratiemüdigkeit in spätkapitalistischen post-postmodernen Nationen verweisen. Oder, es könnte eine Selbstkritik anzeigen, eine mögliche Abrechnung mit den eigenen Jugendsünden aus der 1962 erschienen Habilitationsschrift „Strukturwandel der Öffentlichkeit“. Nichts von all dem ist jedoch der Fall. Es ist vor allem eine moralische Schrift:

„Von den Staatsbürgern wird erwartet, dass sie ihre politischen Entscheidungen im Spannungsfeld zwischen Selbstinteresse und Gemeinwohlorientierung treffen. Wie gezeigt, tragen sie diese Spannung im Kommunikationsraum einer politischen Öffentlichkeit aus, die grundsätzlich alle Bürgerinnen als Publikum einbezieht.“

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Dörte Hansen: „Zur See“

Freundliche, besonnene Literatur voller Pathos, Lebens- und Erzählfreude.

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Die geheime Kunst des Erzählens lautet die Geschichte frei von Erklärungen zu halten. Die Ereignisse reihen sich aneinander, ergeben ein Bild, schließen sich zu einer Atmosphäre, einem Eindruck zusammen und verstecken sich nicht hinter Meinung, Urteil oder Wertungen. Dörte Hansen schreibt in ihrem Roman „Zur See“, wie alten Seebären wohl der Schnabel gewachsen ist. Sie schreibt, ohne ein Blatt vor dem Mund zu nehmen. Sie schreibt mit Seewind im Rücken über die Höhen und Tiefen des Lebens auf einer Nordseeinsel:

„Die Fähre zieht durch kabbeliges Wasser, und an Deck riecht es nach Öl. An diesen dunklen Wintertagen sind der Himmel und die See aus einem Guss, das Grau des einen ist vom Grau der anderen nicht mehr zu unterscheiden. Die Insel ist noch nicht zu sehen, und fast rechnet sie damit, dass sie bereits verschwunden ist. Dass diese Fahrt nie enden wird und dieses Schiff nun ewig auf den Wellen bleiben muss, die Insel aufgelöst im großen Grau, die Vogelinsel weggespült, die ganze Welt nur noch ein Himmel und ein Meer. Sie stellt sich vor, auf einem Segelschiff zu stehen, eine Hand am Mast, nach Monaten auf See, kein Land in Sicht. Man kann nie sicher sein.“

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Clemens J. Setz: „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“

Clemens J. Setz: „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“

Das Prinzip des Antiwitzes zum Roman erhoben.

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Der Büchner-Preisträger aus dem Jahr 2021, Clemens J. Setz, hat in seinem Roman „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ der Welt der Stalker und Smartphone-Fanatiker nachgespürt. Das Buch umfasst 1021 Seiten in der Print-Ausgabe und besteht aus zwei Teilen, der erste aus 49 Kapiteln, der zweite aus 53. Zusammen ergibt dies also 102 Kapitel, was, sieht man von der Danksagung ab, auf exakt zehn Seiten für jedes Kapitel schließen lässt, aber weit gefehlt!! Logik oder Symmetrie sind nicht Setz‘ Ding. Die Kapitel sind nämlich unterschiedlich lang und ergeben nur mit sehr viel gutem Willen so etwas wie einen Plot: 

„Natalie war stolz. Ich kann das, dachte sie. Ich habe diese Wirkung. Ich kann genau die richtige Frequenz finden. Vielleicht wird dir das noch mal das Leben retten, sagte die Maus auf ihrer Schulter, und Natalie berührte den Typen am Handgelenk. Dann tranken sie aus Flaschen, die zufällig in der Nähe standen, und Natalie kam sich auf einmal sehr repräsentativ vor, und sie wandte sich, um nicht wütend zu werden, innerlich von sich selbst ab und ließ sich stehen. Ein PEZ-Spender geriet über einige Umwege in ihre Hand, und sie verlor sich in der Betrachtung des lieben, kleinen Tiergesichts. Etwa um dieselbe Zeit fiel im Garten eine schwere Regentonne um.“

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