Dörte Hansen: „Zur See“

Freundliche, besonnene Literatur voller Pathos, Lebens- und Erzählfreude.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022/…

Die geheime Kunst des Erzählens lautet die Geschichte frei von Erklärungen zu halten. Die Ereignisse reihen sich aneinander, ergeben ein Bild, schließen sich zu einer Atmosphäre, einem Eindruck zusammen und verstecken sich nicht hinter Meinung, Urteil oder Wertungen. Dörte Hansen schreibt in ihrem Roman „Zur See“, wie alten Seebären wohl der Schnabel gewachsen ist. Sie schreibt, ohne ein Blatt vor dem Mund zu nehmen. Sie schreibt mit Seewind im Rücken über die Höhen und Tiefen des Lebens auf einer Nordseeinsel:

„Die Fähre zieht durch kabbeliges Wasser, und an Deck riecht es nach Öl. An diesen dunklen Wintertagen sind der Himmel und die See aus einem Guss, das Grau des einen ist vom Grau der anderen nicht mehr zu unterscheiden. Die Insel ist noch nicht zu sehen, und fast rechnet sie damit, dass sie bereits verschwunden ist. Dass diese Fahrt nie enden wird und dieses Schiff nun ewig auf den Wellen bleiben muss, die Insel aufgelöst im großen Grau, die Vogelinsel weggespült, die ganze Welt nur noch ein Himmel und ein Meer. Sie stellt sich vor, auf einem Segelschiff zu stehen, eine Hand am Mast, nach Monaten auf See, kein Land in Sicht. Man kann nie sicher sein.“

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