Florian Illies: “Liebe in Zeiten des Hasses”

Florian Illies: "Liebe in Zeiten des Hasses"

Weniger als Wikipedia. Mehr als ein Berliner Telefonbuch aus den 20er/30er Jahren.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Was immer sich Florian Illies mit seinem Werk „Liebe in Zeiten des Hasses“ vorgenommen hat, eines ist ihm mit Sicherheit gelungen, die viel beschriebenen Persönlichkeiten der Geisteswelt der Jahre von 1929-1939 mit Lächerlichkeit und Armseligkeit zu überziehen. Um es gleich vorab zu sagen, es handelt sich weder um einen Roman noch um ein Sachbuch. Es handelt sich um ein Who-is-Who der Literaturszene Deutschlands vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Dieses Who-is-Who ist wenig mehr als ein Telefonbuch. Namen nach Namen werden genannt und durch Liebschaften in bester Klatsch- und Tratschmanier in Verbindung gebracht. Wer mit wem und wann und wie lang. Illies selbst fasst es mit seinen eigenen Worten am besten zusammen.

„Sie [Leni Riefenstahl] sei, so sagt ihr Geliebter und Verlobter, der Regisseur Harry R. Sokal, süchtig nach »Erfolgsberauschtheit«. Und offenbar auch nach der Kraft der Fiktion – bis heute ist unklar, welche Geschichten ihrer Memoiren wahr sind und welche erfunden. Auf jeden Fall gab es viele Männer.“

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Antje Rávik Strubel: „Blaue Frau“

Antje Rávik Strubel: „Blaue Frau“

Verstörende Hoffnungslosigkeit zwischen Ohnmacht und Flucht: Lesenswert.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Romane über Gewaltverbrechen pendeln zwischen Voyeurismus und Verzweiflung. Die ersteren beuten das Geschehnis aus, ob des Skandalons. Die zweiteren ergeben sich der Ohnmacht und gleichen einem Stoßgebet gen Himmel, es möge endlich Gerechtigkeit auf Erden obwalten. Die einen nehmen für sich in Anspruch, kein Blatt vor den Mund zu nehmen und den Schrecken zu pädagogisieren („Der Heimweg“ von Sebastian Fitzek), die anderen die emotionale Macht der Sprache für den Einspruch zu mobilisieren („Raum“ von Emma Donoghue). Von allen typischen Varianten gelingt Antje Rávik Strubel mit „Blaue Frau“ der bestmögliche Ausweg aus einer selbstgewählten Unmöglichkeit und ausweglosen Aufgabe: das Metalyrische.

„Abendsonne hat die Bootsschuppen, das Wasser und die algenüberspülten Steine erfasst. Blätter liegen im Sand, gelb durchsprenkeltes Grün der Birken. Die Stämme sind nass, die Flechten schattig von Feuchtigkeit. Die blaue Frau kommt vom Ufer herauf. Als die Röte nachlässt, bleibt ein Schimmer auf ihrem Gesicht zurück, verschiebt es, richtet es neu ein. Die Haut wie die Faltungen des Sandes. Sie erinnert mich an jemanden.“

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