Elfriede Jelinek: „Angabe der Person“

Elfriede Jelinek: „Angabe der Person“

Mit dem Tod im Rücken destruktiv fürs Neue und Lebendige geschrieben.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022/…

Elfriede Jelinek schreibt keine klassischen Texte. Ihre Romane gelten zwar als Prosa, gleiten jedoch stets über ins transkribiert Mündliche, und ihre Theaterstücke besitzen zwar Regieanweisungen, aber unterlaufen das Mündliche durch wild ineinanderverschlungene Wort- und Bedeutungskaskaden. „Angabe der Person“ setzt dieses janusköpfige Paradigma fort. Der Text endet mit dem Versprechen „Uraufführung im Dezember 2022“, aber scheut keine Kosten und Mühen, eine Vortragssituation des unbearbeiteten, unredigierten Textes ins Höchstunwahrscheinliche zu verschieben:

„Und dennoch, so viele folgen mir nach!, nein, ich schau nach: Es sind gar nicht so viele. Das ist so tief, das Ganze ist zu tief für dich, Elfi!, du kannst eh kaum schwimmen. Ach was!, wer liest das schon, wer liest das denn, lese ich gerade über mich. Aber bitte, man kann es sich doch auch mal anschauen, selbst wenn man nicht lesen mag!“

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Halldór Laxness: „Am Gletscher“

Dem Wind und Wetter trotzen … eine Reise durch isländische Stille und Unaufgeregtheit.

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Der Stellvertreter des Bischofs, kurz Vebi, oder der Unterzeichnete genannt, reist an Stelle des Bischofs in eine kleine Gemeinde im Westen von Island zum Snæfellsgletscher, um dort seltsamen Geschehnissen auf den Grund zu gehen. Ausgelöst wurden die Sorgen des Bischofs durch einen Brief des dortigen Kirchenvorstehers Tumi Jonsen zu Brun, in welchem dieser berichtet, dass keine Gottesdienste veranstaltet werden, Begräbnisse ausfallen, insgesamt also dem Gemeindepfarrer Sira Jon Jonsson droht, seinen lutheranischen Amtspflichten nicht recht nachkommen zu können, ja, sogar Neubauten in direkter Nähe zur Kirche erlaubt worden sind, die den sakralen Charakter des Gebäudes unterminieren. Die Aufgabe des Stellvertreters werden vom Bischof klipp und klar formuliert:

„So wenig wie möglich sagen und tun. Die Augen offen halten. Über das Wetter sprechen. Fragen, wie der Sommer im vorigen und im vorvorigen Jahr war. Sagen, daß der Bischof Rheuma habe. Wenn Leute Rheuma haben, fragen, wo es sie quält. Nicht versuchen, etwas in Ordnung zu bringen – das ist unsere Angelegenheit im Kirchenministerium, sobald wir wissen, was los ist. Wir bitten um einen Bericht, das ist alles. Egal, was für irrige Ansichten und Märchen die Leute vorbringen, Sie sollen sie nicht bekehren. Nichts und niemand reformieren. Ihnen gestatten zu sprechen, nicht dagegen reden.“

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Annie Ernaux: „Das andere Mädchen“

Annie Ernaux: „Das andere Mädchen“

Vom Leben mit Gespenstern und einer Sprache, die Trauer in Trost und Zuversicht wandelt.

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Gespenster existieren auf viele verschiedene Weisen. Zumeist existieren sie in Form einer Erzählung, bspw. als Gruselgeschichten, die am Lagerfeuer erzählt werden, während die abgeschatteten Feuerzungen um einen herum tanzen. Annie Ernaux schreibt ihre eigene Gespenstergeschichte. „Das andere Mädchen“ ist ein langer Brief zu einem sehr kurzen Abschied an eine Schwester, die vor der Geburt der Ich-Erzählerin gestorben ist. Sie kennt das Mädchen, das einst ihre Schwester gewesen ist, nur von wenigen, sehr verblichenen Fotos:

„In der Ferne ein großes Gebäude, auf dem »La Méditerranée« steht, ein paar konturlose Gestalten bewegen sich darauf zu. Die Festtagskleidung der drei [Vater, Mutter, Kind] steht im Kontrast zu der leicht trostlosen Umgebung, einem industriell geprägten Stadtviertel. Das Foto wurde 1937 in Le Havre aufgenommen. Du bist fünf Jahre alt. Du hast noch ein Jahr zu leben.“

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