Robert Seethaler: „Das Café ohne Namen“

Das Café ohne Namen

Eine Schmonzette, aber eine gute. Kurzweilig und rührselig.

Ausführlicher und vielleicht begründeter auch auf kommunikativeslesen.com

Es gibt eine Form der Belletristik, die nichts als Trauerverarbeitung sein will. Sie ist sentimental. Sie ist kitschig. Sie ist voller Phrasen und Plattitüden, voller Banalitäten und rührseligen Anekdoten. Sie lebt von der Beständigkeit ihrer Figuren, den unerschütterlichen Glauben an das eigene und das Glück der nächststehenden Menschen, von Bekannten, Freunden und an das aller anderen. Bücher wie „Das Café ohne Namen“ von Robert Seethaler sind schlicht und ergreifend Rührstücke:

Manchmal dachte er an den Anfang zurück, an den Fliegenschwarm, der sich wie ein schwarzer Schleier hinter dem Tresen erhoben hatte, an den Geruch der frisch geschliffenen Dielen und der Dämpfe, die ihm beim Streichen der Möbel die Sinne vernebelt hatten. Er dachte an den Tag, an dem Mila aufgetaucht war, an den ersten Winter mit Punsch und an seine weißen Finger, die von einem Feuerwehrmann zwischen zerfetzten Metallteilen gefunden, in ein Taschentuch gewickelt und mit Blaulicht ins Spital gefahren worden waren.

Das Café ohne Namen“ wird von Robert Simon geführt, der es im Nachkriegswien der 1960er Jahre wieder auf Vordermann bringt, in welchem Dramen, Liebeleien, in welchem es Gezänk, Streitereien zuhauf gibt. Zu seinem Glück findet sich Mila Szabica ein, die nach Wien zog, um dort in einer Feintextilfabrik als Hilfsnäherin zu arbeiten, die aber bald schon schließen und Mila entlassen muss. Mit Mila als Bedienung gehen zehn Jahre ins Land. Alles ändert sich rundum den Karmelitermarkt. Die Zeit geht auch an Robert nicht spurlos vorüber.

Wenn er den Blicken mancher Frauen glauben durfte, hatte er sich ganz gut gehalten, doch er war müde. Er hatte bemerkt, wie sehr er die Dienstage brauchte, um sich auszuruhen, und seit einigen Monaten war der Verdacht in ihm gereift, dass ein freier Tag pro Woche bald nicht mehr ausreichen würde. Seine Knöchel schmerzten. Morgens kam er kaum aus dem Bett vor lauter Steifheit in den Gelenken, und jedes Mal, wenn er sich unter den Tresen bückte, gab es ihm einen Stich, als hätte ihm jemand einen Dolch ins Kreuz gestoßen. Es ist gut, wie es ist, dachte er, man soll die Dinge zu Ende bringen, solange man noch Kraft hat, etwas Neues zu beginnen.

Seethalers Prosa bleibt schlicht. Sie handelt von schlichten Dingen. Sie handelt von einfach Ängsten, kleinen Vergnügungen, von Menschen, die sich gegenseitig nicht kennen, auf den Straßen unbekannt aneinander vorübergehen, doch sehr viele Nöte und Hoffnungen teilen. In „Das Café ohne Namen“ kommen sie zusammen, atmen kurz durch, bevor es weitergeht und sich wieder in alle vier Winde zerstreuen. Romane wie „Das Café ohne Namen“ erzählen schnell, geradeheraus ohne formalästhetischen Anspruch, auch wenn hier und da Ähnlichkeiten zu Alfred Döblins „Berlin – Alexanderplatz“ aufblitzen. Ihre Figuren leben durch die Sentimentalität, die ihnen der Autor zweifellos und nachdrücklich entgegenbringt. Er will ihnen nichts Böses. Er will ihnen nur Gutes.

Das Café ohne Namen“ ist Trivialliteratur auf dem höchsten Niveau, die nichts anders sein will, die wie Jack London zu rühren und zu unterhalten versteht und der sogar, so einem der Sinn danach steht, es spielend gelingt, einem die Vergeblichkeit und Endlichkeit aller Dinge vor Augen zu führen. Eine Schmonzette, aber eine gute. Wer jedoch Bücher wie „Stay away from Gretchen“ einer Susanne Abel, oder „Der Markisenmann“ eines Jan Weiler, „Kummer aller Art“ einer Marianne Leky oder „Zur See“ einer Dörte Hansen nichts abgewinnen kann, wird auch mit Seethalers „Das Café ohne Namen“ nicht glücklich werden können. Den anderen bietet es kurzweiliges Lesevergnügen.  

2 Gedanken zu „Robert Seethaler: „Das Café ohne Namen““

    1. Seethaler schreibt Erbauungsliteratur, dennoch gelingen ihm hier und da schöne Szenen und Beschreibungen, die eigentümlicherweise über vieles in der Gegenwartsliteratur hinausreichen. Bei all dem, was ich lese, ist Seethaler mit seiner schlichten Sentimentalität eine Erholung 🙂 … aber ja, ich verstehe völlig, wenn einem der Sinn danach nicht steht. Viele Grüße!

Kommentar verfassen