Raphaela Edelbauer: „Die Inkommensurablen“

Raphaela Edelbauer: „Die Inkommensurablen“

Sprachfreudige Ideologiekritik im Vorkriegswien

Raphaela Edelbauers Roman „Die Inkommensurablen“ beginnt am 30. Juli 1914 am Wiener Südbahnhof. Schon alleine diese Zeit- und Ortsangabe verknüpft den Roman mit Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“, der mit einem Augusttag des Jahres 1913 in selbiger Reichshaupt- und Residenzstadt der k. u. k. Monarchie ansetzt. Die Psychoanalyse, das Okkult-Mystische, Carl Jung, Sigmund Freud, Georg Cantor und die Suffragetten stehen in aller Munde und auch der bevorstehende Krieg mit dem russischen Zarenreich. Edelbauers Roman spielt zwischen allen Stühlen, auf den Straßen, in der Kanalisation, in den Hintergemächern des Militärs und der Oberschicht, aber auch in den Hütten und Lauben, Bruchbuden des Wiener Favoriten:

Über eine Wendeltreppe waren sie in eine Art Halle gelangt. Er musste sich die Hände vors Gesicht schlagen, um den Gestank ertragen zu können. Sie standen auf einem Grat, der hoch über einen Schacht führte, durch den das Schmutzwasser donnerte. Braun toste die Gülle in Tonnen und Abertonnen über eine Staustufe – das gesammelte Abwasser der nach allen Seiten ausgestreckten Metropole. Täglich kippten hunderttausende Frauen ihr Waschwasser in die Wien, die über der Stelle, wo die Karawane nun ihren Weg machte, mächtig in den Boden drang.

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