Bettina Wilpert: “Herumtreiberinnen“

Bettina Wilpert: "Herumtreiberinnen“

Wortkarg und desillusioniert von Leipziger Gewaltwelten

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…

In ihrem neuen Roman, Herumtreiberinnen, ihrem zweiten, spürt Bettina Wilpert einer wildgewordenen Staatsmaschinerie nach. Anhand des Schicksals von drei Frauen: Lilo in den 1940er, Manja in den 1980er, und Robin in den 2010er Jahren zeichnet sie das schwarze Bild von Gesellschaften, in denen jeder gegen jeden kämpft und jedes Mitgefühl verloren gegangen zu sein scheint. Fokalpunkt der Betrachtungsweise ist das Tripperburg-Gebäude in der Lerchenstraße in Leipzig. Hier kreuzen sich, in parallelen Geschichtswelten, die Frauenschicksale, sammeln und verbinden sich der Horror, einer übermächtigen Staatsgewalt ausgeliefert worden zu sein: Lilo als politischer Häftling, Manja als promiskuitive Straftäterin, und Robin als orientierungslos gewordene Sozialarbeiterin.

Wir, in der Lerchenstraße Wir sind verkrustet. Manchmal träumen wir von einem unverbildeten Menschen. Wir suchen ihn in der Lerchenstraße, wir suchen dort in den sechs Gebäuden. Jeweils drei stehen in Reih und Glied zueinander, ein Dampfschornstein auf einem der mittleren. Wir sehen eine Kirche, einen Uhrenturm in der Mitte des Hofes, damit wir die Zeit nicht vergessen, alles ist getaktet und geplant, Ordnung muss sein. Wir sehen ein Pförtnerhäuschen – ein Pförtner ist einer, der den Eingang bewacht, dieser jedoch bewacht den Ausgang.

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Christoph Hein: “Guldenberg”

Christoph Hein: "Guldenberg"

Ein besorgter Bürger meldet sich blass zu Wort – bieder, fad und traurig.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Christoph Hein legt mit „Guldenberg“ eines der blassesten und langweiligsten Zeitdokumente vor, die man sich nur vorstellen kann. Der Roman handelt von einem Städtchen, oder Dörfchen namens Guldenberg. In Guldenberg leben minderjährige Migranten, ein verzweifelter Pastor und seine jüdische und neugierige Haushälterin, ein Unternehmer, ein Bürgermeister, ein schwangeres vierzehnjähriges Mädchen, eine bauernschlaue Oma und viele andere, teils ausländerfeindliche, teils opportunistische, rachsüchtige, karriere-orientierte Kleinbürger und Kleinbürgerinnen. Das Buch beschreibt das Unbehagen der Dorfbewohner, das die Anwesenheit der Migranten in ihnen auslöst. Es behandelt Angst, Kleingeistigkeit, Rachsucht und Fremdenfeindlichkeit. Hein beschreibt die Geschehnisse mit erbarmungsloser und ideenloser Faktizität:

„Der neue Besitzer hatte kein Glück mit ihm [dem Kolonialwarenladen]. Sein Umsatz brach heftig ein, als hier der erste Supermarkt aufmachte, und als dann noch ein zweiter dazukam, musste er das Geschäft aufgeben. Er hatte zwar immer die bessere Ware, aber die Supermärkte verkaufen alles viel billiger. Zu ihm kam man nur noch, wenn man etwas vergessen hatte, ein Glas Senf oder eine einzelne Zitrone.“

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