Christoph Hein: “Guldenberg”

Christoph Hein: "Guldenberg"

Ein besorgter Bürger meldet sich blass zu Wort – bieder, fad und traurig.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Christoph Hein legt mit „Guldenberg“ eines der blassesten und langweiligsten Zeitdokumente vor, die man sich nur vorstellen kann. Der Roman handelt von einem Städtchen, oder Dörfchen namens Guldenberg. In Guldenberg leben minderjährige Migranten, ein verzweifelter Pastor und seine jüdische und neugierige Haushälterin, ein Unternehmer, ein Bürgermeister, ein schwangeres vierzehnjähriges Mädchen, eine bauernschlaue Oma und viele andere, teils ausländerfeindliche, teils opportunistische, rachsüchtige, karriere-orientierte Kleinbürger und Kleinbürgerinnen. Das Buch beschreibt das Unbehagen der Dorfbewohner, das die Anwesenheit der Migranten in ihnen auslöst. Es behandelt Angst, Kleingeistigkeit, Rachsucht und Fremdenfeindlichkeit. Hein beschreibt die Geschehnisse mit erbarmungsloser und ideenloser Faktizität:

„Der neue Besitzer hatte kein Glück mit ihm [dem Kolonialwarenladen]. Sein Umsatz brach heftig ein, als hier der erste Supermarkt aufmachte, und als dann noch ein zweiter dazukam, musste er das Geschäft aufgeben. Er hatte zwar immer die bessere Ware, aber die Supermärkte verkaufen alles viel billiger. Zu ihm kam man nur noch, wenn man etwas vergessen hatte, ein Glas Senf oder eine einzelne Zitrone.“

Viele solcher überflüssigen Stellen reihen sich aneinander. Von Konvektionstrockner wird geredet, von Schweineställen und Mastgänsen, von Gerichten, Bier und Schnaps und „jungfräulichen Skatkarten“, von Bimsstein für Hornhaut, und alles, was sonst noch begeistert, inspiriert und interessiert. Der Roman ist eine sprachliche Einöde. Kein Witz. Keine Überraschung. Nichts. Hein hat offensichtlich jeden inneren Bezug zur Gegenwart verloren, denn was aus diesen Zeilen spricht, ist gähnende Leere, ideenloses Grau in Grau, wie schlecht es doch um das große Ganze steht. Da hilft nur der Pastor, und der betreibt dann auch noch gerne Mansplaining:

„Und selbst wenn das so wäre, könnte ich Ihnen nichts sagen. Dann würde das sub rosa dictum für mich gelten, das unter der Rose Gesagte. Um mich verständlich auszudrücken: Ich wäre an das Beichtgeheimnis gebunden.“

Ich bin sprachlos, fassungslos. Die Lektüre dieses Romans war langweiliger, als das Papiermüll entsorgen. Ich rate jedem von diesem Buch ausnahmslos ab. Wer über Massenwahn, aufsteigenden Faschismus, wer über Wahnsinn und politische Megalomanie lesen möchte, dem rate ich zu Hermann Brochs „Die Verzauberung“, ein wunderbares Buch darüber, wie ein Dorf einem Rädelsführer verfällt; oder eben Eugene Ionescos „Die Nashörner“, in welchem die Intellektuellen zuerst dem Faschismus zujubeln, und nicht zuletzt das Original, nämlich „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch, das wenigstens nicht als Roman verkauft worden ist.

Wer Christoph Hein jedoch nicht in allzu schlechter Erinnerung behalten möchte, der lese „Der Tangospieler“ und wundere sich, wie dies ein und derselbe Schriftsteller gewesen sein konnte.

3 Gedanken zu „Christoph Hein: “Guldenberg”“

    1. Ja, das ist ein seltsames Alterswerk. Verglichen mit den vielen anderen Texten … es erschien beinahe wie eine lieblose Auftragsarbeit. Ich bin gespannt auf die Besprechung! Meines Erachtens hat Hein sich ausgezeichnet über kurze, sehr rhythmisch kurze Sätze. Nun sind sie länger, aber ohne Zug.

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