Thomas Kunst: „Zandschower Klinken“

Thomas Kunst: „Zandschower Klinken“

Ein musikalischer Thomas Bernhard aus der ostdeutschen Provinz. Literarischer Hochgenuss.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…


Das Leben auf dem Lande wird seit kurzem, und vielleicht auch wegen der Home-Office-Covid-19 Situation, idealisiert. Viele Gegenwartsromane greifen auf diesen Topos zurück. „Zandschower Klinken“ zerschneidet diesen Romantismus jedoch gekonnt und mit sprachlicher Hochgeschwindigkeitsrhythmik. Statt eine Großstädtler-Brille aufzuziehen und ein imaginäres Zurück-zur-Natur zu feiern, artikuliert Thomas Kunst auf hochversierte Art und Weise die ländliche Tristesse und die Gegenmaßnahmen, die die Individuen inszenieren, um nicht vor Langeweile und Isolation einzugehen.

„Ich sage in der sich allmählich ausbreitenden Dämmerung das Alphabet auf. Wenn beim Aussprechen der Buchstaben M, P und Y jeweils links oder rechts ein Baum am Straßenrand steht, komme ich in dieser Nacht noch unzählige Kilometer weiter. Abweichungen von zwei bis fünf Fuß sind erlaubt. Ich will ja nicht kleinlich sein. Fast die gleiche Anzahl Bäume zu beiden Seiten der Fahrerkabine. Landstraße, Autobahn, Landstraße, aber in umgekehrter Reihenfolge. Ich glaube, ich mache das jetzt jedes Wochenende. Die Welt ist das Größte auf der Erde.“

„Thomas Kunst: „Zandschower Klinken““ weiterlesen

Katerina Poladjan: „Zukunftsmusik“

Katerina Poladjan: „Zukunftsmusik“

Abgeklärte Resignationslosigkeit … eine literarische Atempause als Ruhe vor dem Sturm.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…

Einer Erfahrung ein historisches Bild zu verleihen und jenes aus dem Fluss der Zeit herauszubrechen, gehört zu den erstaunlichsten Wirkungsweisen eines Romans. Die Verwandlung von Kontinuität in Diskontinuität erlaubt es, rückläufig wieder anzuschließen und aufzuschließen, und Kommunikationspotential zu erschließen, die sonst anderweitig vor sich hinschlummern müssten, ohne ihren Erfahrungsgehalt entfalten zu können. Katerina Poladjan hat den 80ern Jahren der kurz vor ihrem Ende stehenden Sowjetunion ein Kleinod entrissen und in „Zukunftsmusik“ zu einer Allegorie auf Veränderung verwandelt. Der Roman glänzt und schimmert und funkelt.

“Die Sonne stand tief über dem Wasser des schwarzen Flusses, auf der anderen Seite leuchtete die Fabrik von elektrischem Schein umkränzt, davor das abschüssige Ufer. Es war warm wie an einem Sommerabend, und doch lagen zwischen den Hügeln auf den Rasenflächen Schneereste. Im Osten das Wäldchen, ein dunkler Schattenriss, und ungewöhnlich kleine Kirschbäume blühten in voller Pracht unter einem wolkenlosen Himmel.”

„Katerina Poladjan: „Zukunftsmusik““ weiterlesen