Djaimilia Pereira de Almeida: „Im Auge der Pflanzen“

Eindrucksvolle Tristesse über den Lebensabend eines Mörders – poetisch beklemmend.

Die Literatur kennt nicht viele alternde Verbrecher. Was aus den Mördern, Tätern wird, findet selten Beachtung. Die auf Portugiesisch schreibende und aus Angola stammende Autorin Djaimilia Pereira de Almeida hat einen Kurzroman geschrieben, der diese Lücke zwar nicht zu füllen versucht, hierfür ist dieser mit gerade mal knapp 130 Seiten umfassende Text viel zu kurz, jedoch zumindest das Augenmerk auf diese Fehlstelle im Literaturuniversum lenkt. Celestino, der Protagonist ihres Romanes „Im Auge der Pflanzen“, hat sein Leben als Pirat zugebracht, hat gebrandschatzt, gemordet, gequält und gefoltert und sucht nun im Ruhestand seinen Seelenfrieden bei der Gartenarbeit zu finden. Es gelingt ihm aber nicht:

„Die Pflanzen sahen den Gärtner so, wie Pflanzen sehen. Sie empfanden keine Dankbarkeit. Sie behandelten ihn, der sie goss, wie den Regen, der in den Herbstnächten auf sie niederfiel. Sie blühten nicht, um den Gärtner in ein Gespräch zu verwickeln, sie unterstrichen damit nur ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Liebe, die er ihnen unablässig erklärte. Ihnen war es egal, ob ein Mörder sich um sie kümmerte, ob die Hände, die sie hielten, schmutzig waren und was vor der Liebe gewesen war, die er ihnen schenkte.“

Celestino kehrt in das Haus seiner Kindheit zurück, zurück in das Dorf, wo ihn manche Bewohner noch als Kind kennen, das unbeschwert zu spielen pflegte, bevor es letztlich zu einem Verbrecher und Seeräuber wurde. Celestino nimmt nicht mehr anteil am Dorfleben. Die Kinder schauen durch sich fürchtend durch die Hecke. Die Nachbarin gruselt sich. Die Tiere, Hunde, Katzen, Vögel streifen um das gespenstische Haus herum, und selbst der Priester Alfredo nimmt sich seiner nur unwillig an, denn alle wissen von den Schandtaten Celestinos:

„Der Geistliche beobachtete ihn heimlich aus der Sakristei, den leeren Blick, die harten, auf den Knien verschränkten Hände.
»Vielleicht möchte er beichten. Meine Tante Aurora hat mir erzählt, dass er behauptet, er habe sechs Kindern die Zunge herausgeschnitten. Wie es scheint, trinkt er Blut und hat seine Seele dem Teufel verkauft. Die Mutter war auch kein guter Mensch«, flüsterte der Küster.
Ebenso bedächtig, wie der Kapitän hereingekommen war, ging er wieder. Und sämtliche Gespräche verstummten, wenn er vor den Damen mit jovialer Unverfrorenheit den Hut lüftete.“

Almeida gelingt es, den Zerfall, den Nachhall eines gewalttätigen Lebens nachzuzeichnen. In kurzen Passagen, teilweise experimentell verkürzt, angedeutet, mit Allegorien überwuchert, lässt sie Celestino seinen Lebensabend verbringen. Je ruhiger es um ihn wird, desto unruhiger wird es in ihm. Er beginnt zu phantasieren. Die Erinnerungen kommen hoch. Gespenster aus der Vergangenheit beginnen ihn zu verfolgen, und es ist nicht klar, ob die Schuld, das Gewissen, oder das Alter diese Bilder evoziert. In den Strudel eines beginnenden Wahns löst sich Celestinos Bewusstsein langsam aber sicher auf.

„In den darauffolgenden Monaten kamen die Kinder nicht. Wenig Leute gingen auf der Straße vorbei. Der Kapitän wunderte sich, wenn er gelegentlich nicht in seinem Bett aufwachte, manchmal beschmutzt, verdreckt, zerkratzt, und die Küche oder der Vorratsraum auf den Kopf gestellt worden waren. Er konnte sich an nichts erinnern, als hätte das Vergessen sich über ihn lustig machen wollen. Er wusch sich das Gesicht, ging in den Garten und setzte sich in den Regen.“

„Im Auge der Pflanzen“ behandelt das Thema Schuld auf außergewöhnliche Weise. Die Opfer lassen den Täter nicht los. Sie lassen ihn keinen Frieden finden. Hier gleich Almeidas Kurzroman Elfriede Jelineks „Die Kinder der Toten“, die auf andere Weise den Zerfall eines Zeitbewusstseins beschreibt und erbarmungslos nachzeichnet. Almeidas Roman hat auch große Ähnlichkeiten mit Mariette Navarros „Über die See“ und Kim Young-ha „Aufzeichnungen eines Serienmörders“, der ebenfalls einen Täter an Demenz leiden und dessen Persönlichkeit dissoziieren lässt.

Was Djaimilia Pereira de Almeidas Roman an Länge missen lässt, macht er durch Intensität, durch Poesie, Lyrizität wieder gut. Ein Buch, das schmerzhaft in Erinnerung bringt, dass sich Gelassenheit und Ruhe nicht erzwingen lassen, dass sie eher der Nachhall, das Verklingen eines sanft geführtes Leben sind.

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