Kazuo Ishiguro: “Klara und die Sonne”

Kazuo Ishiguro: "Klara und die Sonne"

Poetisch, empathisch, freundlich und bezaubernd: Leseglück pur!

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Gleich vorab: Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe und wahrscheinlich gelesen haben werde.
Ohne Erwartung, und als kein übermäßig begeisterter Freund der drögen Sprache und des Stils japanischer Literatur und sehr skeptisch in Bezug auf die Bearbeitung künstlicher Intelligenz und Kybernetik von Fachfremden (siehe die letzten Bücher von Autoren wie Daniel Kehlmann, er und sein Algorithmus, wobei mehr „er“ als Algorithmus in Vordergrund steht) begann ich Kazuo Ishiguro „Klara und die Sonne“ zu lesen. Schon von Anfang an wird klar, dass das Buch etwas Besonderes ist.

„Das [das Energie spendende Sonnenlicht] war der eine Grund, weshalb wir alle so viel über den Platz im Schaufenster nachdachten. Managerin hatte uns versprochen, dass jeder von uns an die Reihe kommen werde, und jeder sehnte diesen Moment herbei. Zum Teil hatte es auch mit dem zu tun, was Managerin die »besondere Ehre« nannte, den Laden nach außen zu repräsentieren. […] In Wahrheit ging es aber um etwas anderes, nämlich um die Sonne und ihre Nahrung, und das war uns allen stillschweigend klar.“

Man schließt Klara sofort ins Herz. Sie ist offen, ehrlich, und möchte für alle immer nur das Beste. Als künstliche Freundin ist sie daraufhin ausgelegt, und voller Besorgnis berichtet und beschreibt sie, was sie sieht, was sie sich erhofft, ob sie auch die Erwartungen erfüllt, die an sie herangetragen werden.

Das Buch ist aus ihrer Perspektive geschrieben, und so nimmt es nicht Wunder, dass manche Eindrücke verpixeln, unscharf werden, und eigentümliche Wortschöpfungen wie „Kaffeetassendamen“ und „Regenmantelherren“ das naive Weltbild unterstreichen, sehr deskriptiv, sehr einfach, und dennoch überaus ausdrucksstark. Die einfache Sichtweise auf die Welt ist herzergreifend, ihre Treue und Sorge um ihre Besitzer zieht einen in den Bann, ihr Wunsch nach Ehrlichkeit, aber auch ihre langsam sich entwickelnden Eigensinnigkeit, jedoch wiederum nur im Sinne der Menschen, mit denen sie zusammenlebt. Selbst die mürrische Haushälterin mag Klara irgendwann, freundlich, zurückhaltend, wie sie neben dem Kühlschrank steht und beobachtet und geht, wenn sie die Privatsphäre nicht stören will, ob Zuhause oder auf Reisen.

„Gleichzeitig wurde mir klar, in welchem Ausmaß die Menschen in ihrem Wunsch, der Einsamkeit zu entrinnen, Manöver vollführten, die sehr komplex und schwer zu ergründen waren, und ich verstand, dass ich vielleicht zu keinem Zeitpunkt irgendeinen Einfluss auf die Auswirkungen der Morgan-Fälle gehabt hatte.“

Als Spielgefährtin von Josie, als Aufpasserin und Aufmunterin gibt sie alles für ihre Freundin. Sie sorgt sich zu jeder Minute ihres Daseins darum, dass es Josie so gut wie möglich geht. Konflikte, Stimmungsschwankungen seitens Josie und ihrer Eltern irritieren sie, aber nimmt sie stoisch und freundlich hin. Klaras unbeugsamer Wille und Glaube an das Glück erhält sich durch die Sonne, durch die Beobachtung, durch die Interaktion und Lebendigkeit ihrer Erinnerungen, über das immer genauere Eintauchen, Mitsorgen, Mitmachen. Am Ende des Buches freut man sich, Klara kennengelernt zu haben.

Wenige Bücher schaffen es, Gestalten zu kreieren, geradezu kondensierte Charakterstudien, über sich hinausweisende Figuren, die kommunikativ einwirken und im Gedächtnis bleiben. Madame Bovary von Gustave Flaubert gehört dazu oder Don Quijote von Miguel de Cervantes, Sherlock Holmes von Arthur Conan Doyle oder Leopold Bloom von James Joyce, um nur einige zu nennen. Klara von Kazuo Ishiguro ist ein Geschenk an alle, die Literatur lieben, die aus Literatur Begeisterung, Intensität und Lebensmut schöpfen, utopisch, freundlich, tragisch, melancholisch, und unfassbar rührend schön. Wie eingangs bereits gesagt, einer der besten Romane, die ich gelesen habe.

Unbedingte Leseempfehlung. Wer dieses Buch mag, mag auch Helga Schuberts „Vom Aufstehen“ und „Fluchtstücke“ von Anne Michaels, und könnte sich für „Menschheit 2.0: Die Singularität naht“ von Ray Kurzweil interessieren, um aktuelle Bücher vorzuschlagen.

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