Edgar Selge: “Hast du uns endlich gefunden”

Edgar Selge: "Hast du uns endlich gefunden"

Wo Geschichtsbedrängtheit sich Ausdruck bricht und Verzweiflung in Hoffnung verwandelt wird.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Edgar Selge spricht. Er schreibt seine Lebensgeschichte. Er hat den Mut, in die Zonen seiner Familiengeschichte hinabzusteigen, die schmerzen, die Schuld, Reue, Verzweiflung und Empörung auslösen, Enge, Bedrängtheit, ein Schacht und Tunnel ohne Ausweg und Fluchtmöglichkeit. “Hast du uns endlich gefunden” ist ein Juwel im Genre der Biographie-Literaturen, artististisch, komplex, doch hautnah und simpel, aufwühlend und sachlich, souverän und doch bodenlos von Hilflosigkeit geplagt.

“Zwei verknäulte Menschen im Halbdunkel, die immer wieder aufstöhnen und schließlich gemeinsam aufs Bett sinken, sich sitzend weiter ineinanderkrallen und den Schmerz in den Körper des anderen hineinheulen. Unerreichbarer als je, wie auf einem anderen Stern scheinen sie zu sein, einem Stern, von dem auch ich stamme, der aber gerade an mir vorbeizischt.”

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Slavoj Zizek: “Sex und das verfehlte Absolute”

Die Gegenwart in Gedanken gefasst – Reflexionseinübung auf höchstem Niveau.

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Ein 592 Seiten in sich verwinkeltes, sich wiederholendes, re-paraphrasierendes hypo- und parataxisches Ungetüm – Zumutung oder Befreiungsschlag, Großdenker oder Provokateur? Es geht um Beckett, um Lenin, um den Holocaust, um MeToo. Es geht um Freud, Lacan, immer wieder Hegel. Es geht um Badiou, den Kollaps der Wellenfunkton in der Quantenmechanik, um Kafka, Zupancic, um Butler und Kristeva, rund um den stets herauswabernden Kant und Schelling, das Unheimliche Platons, Trump, Zynismus und die ewige Wiederkehr von Geschlechter-Binärem, dem Symbolischen, Imaginären, dem Realen des Hollywood Kinos, über Cary Grant zu Tom Cruise, Hitchcock vor und zurück und independent Science-Fiction Filme, Neurologie, künstliche Intelligenz und dem Virtuellen am Sex, das objet a und das durchkreuzte Subjekt.

Der Preis seines Versuches, konstruktiv Verwirrung zu stiften, ist groß. Er unterminiert literarisch, journalistisch Versuche, politische konkrete Projekte durchzusetzen, zynisiert Trump als Wegbereiter eines größeren linken Emanzipationsprojekts, und dekonstruiert reformerisch eingestellten Diskursen die Sprache und Begrifflichkeiten, indem alles auf einen phallogozentristisches M+ zurückgeführt worden ist.

Wer ihn aber in die Hand nimmt, um den Geist aufzulockern, als Geisteslockerungsübung und -entkrampfung, also nicht argumentativ, diskursiv, sondern poetisch liest, bekommt viel geboten – nur eben keine Antworten.