Hannah Arendt: „Vita activa“

Hannah Arendt: „Vita activa“

Kulturpessimismus mal anders: Von ewigen Platonischen Ideen und anderen Utopien.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…

Wenige kritisieren die moderne Gesellschaft und den Strukturwandel der Öffentlichkeit so tiefgreifend und nachhaltig wie Hannah Arendt in ihrem 1958 erschienen philosophischen Hauptwerk Vita activa oder Vom tätigen Leben. In ihm wird das Fehlen des kontemplativen Lebens angeprangert. Laut Arendt verhindert der Aktionismus die Kommunikation zwischen Experten und Laien, zwischen der Wissenschaft und einer aufmerksamen bürgerlichen Öffentlichkeit. Die Welt gerät aus den Fugen, denn beide Seiten verlieren im technologischen Fortschritt jeden Sinnzusammenhang:  

Was dagegen spricht, sich in Fragen, die menschliche Angelegenheiten angehen, auf Wissenschaftler qua Wissenschaftler zu verlassen, ist nicht, dass sie sich bereitfanden, die Atombombe herzustellen […] viel schwerwiegender ist, dass sie sich überhaupt in einer Welt bewegen, in der die Sprache ihre Macht verloren hat, die der Sprache nicht mächtig ist.

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Ana Marwan: „Der Kreis des Weberknechts“

Ana Marwan: „Der Kreis des Weberknechts“

Wenn verkopfte Männer lieben … eine literarische Immunisierungsstrategie.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…

Wie man freundlich und höflich, nicht zur Kenntnis nimmt, davon handelt Ana Marwans im Otto Müller Verlag erschienener Roman Der Kreis des Weberknechts. In ihm geht es um Karl und Mathilde, die sich zufällig am Flughafen kennenlernen und zueinanderfinden wollen. Mathilde hat zuerst mehr Interesse. Später Karl. Dass das mit der Liebe aber nicht so einfach, insbesondere für verkopfte Männer ist, wird von Marwan trocken und mit deutlicher Sprache zum Ausdruck gebracht:

So ist es oft. Ein Liebender möchte es genau wissen. Das, was er wissen möchte, nennt er unbescheiden ‚die Wahrheit‘, und oft fügt er noch unbescheidener das ‚nur‘ hinzu. Nur die Wahrheit, er möchte nur die Wahrheit wissen. Fairerweise muss man die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ‚nur‘ nicht die Wahrheit mindern möchte, sondern das, was der Liebende will. Und wenn es so ist, auch wenn nicht oft, ist der Verzicht auf Liebe zugunsten der Wahrheit schon ein großes Opfer.

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Slavoj Zizek: “Sex und das verfehlte Absolute”

Die Gegenwart in Gedanken gefasst – Reflexionseinübung auf höchstem Niveau.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Ein 592 Seiten in sich verwinkeltes, sich wiederholendes, re-paraphrasierendes hypo- und parataxisches Ungetüm – Zumutung oder Befreiungsschlag, Großdenker oder Provokateur? Es geht um Beckett, um Lenin, um den Holocaust, um MeToo. Es geht um Freud, Lacan, immer wieder Hegel. Es geht um Badiou, den Kollaps der Wellenfunkton in der Quantenmechanik, um Kafka, Zupancic, um Butler und Kristeva, rund um den stets herauswabernden Kant und Schelling, das Unheimliche Platons, Trump, Zynismus und die ewige Wiederkehr von Geschlechter-Binärem, dem Symbolischen, Imaginären, dem Realen des Hollywood Kinos, über Cary Grant zu Tom Cruise, Hitchcock vor und zurück und independent Science-Fiction Filme, Neurologie, künstliche Intelligenz und dem Virtuellen am Sex, das objet a und das durchkreuzte Subjekt.

Der Preis seines Versuches, konstruktiv Verwirrung zu stiften, ist groß. Er unterminiert literarisch, journalistisch Versuche, politische konkrete Projekte durchzusetzen, zynisiert Trump als Wegbereiter eines größeren linken Emanzipationsprojekts, und dekonstruiert reformerisch eingestellten Diskursen die Sprache und Begrifflichkeiten, indem alles auf einen phallogozentristisches M+ zurückgeführt worden ist.

Wer ihn aber in die Hand nimmt, um den Geist aufzulockern, als Geisteslockerungsübung und -entkrampfung, also nicht argumentativ, diskursiv, sondern poetisch liest, bekommt viel geboten – nur eben keine Antworten.