Heike Geißler: „Die Woche“  

Die Woche: Roman

Ein Text der vollendeten Tristesse.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…

„Die Woche“ als Roman zu bezeichnen, ist bereits eine gewagte Deutung. Aus einem Text besteht das Buch sicherlich. Heike Geißler setzt sich mit der Leipziger Gegenwart auseinander, mit den Montagsdemonstrationen auf dem Augustusplatz, mit Mietenteignungen, der gefährdeten Gesundheit ihrer geborenen und ungeborenen Kinder, mit Baustellen, Protesten, mit Zitaten und Querverweisen, dem Tod und Ende der DDR. Eine Handlung besitzt der Text aber nicht. Es ist der ‚stream of consciousness‘ einer sich ihrer Besessenheit bewussten, selbstkritischen Nachrichtenleserin:

„Und ich werde ihm [meinem Mann] sagen, ein Nachruf auf mich könnte lauten: Ungeachtet der konkreten Situation, in der sie lebte, entschied sie sich dafür, in den Chor der zeittypischen, verfügbaren und folglich leicht abrufbaren Klagen einzustimmen. Sie war nicht einfallsreich im Erfinden neuer Klagen. Egal, wie sehr sie nachdachte und sich umschaute: Sie konnte keine neuen Beschwerden, Anmerkungen, Wünsche liefern. Oder nur sehr wenige.“

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Edgar Selge: “Hast du uns endlich gefunden”

Edgar Selge: "Hast du uns endlich gefunden"

Wo Geschichtsbedrängtheit sich Ausdruck bricht und Verzweiflung in Hoffnung verwandelt wird.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Edgar Selge spricht. Er schreibt seine Lebensgeschichte. Er hat den Mut, in die Zonen seiner Familiengeschichte hinabzusteigen, die schmerzen, die Schuld, Reue, Verzweiflung und Empörung auslösen, Enge, Bedrängtheit, ein Schacht und Tunnel ohne Ausweg und Fluchtmöglichkeit. “Hast du uns endlich gefunden” ist ein Juwel im Genre der Biographie-Literaturen, artististisch, komplex, doch hautnah und simpel, aufwühlend und sachlich, souverän und doch bodenlos von Hilflosigkeit geplagt.

“Zwei verknäulte Menschen im Halbdunkel, die immer wieder aufstöhnen und schließlich gemeinsam aufs Bett sinken, sich sitzend weiter ineinanderkrallen und den Schmerz in den Körper des anderen hineinheulen. Unerreichbarer als je, wie auf einem anderen Stern scheinen sie zu sein, einem Stern, von dem auch ich stamme, der aber gerade an mir vorbeizischt.”

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Heinz Strunk: “Es war immer so schön mit dir”

Heinz Strunk: "Es war immer so schön mit dir"

Geschrieben mit Ekel, Wut, Abscheu und Verdruss im Bauch.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

„Es ist immer so schön mit dir“ von Heinz Strunk ist ein typischer Liebesroman. Es geht um einen vierzigjährigen Tontechniker, der tief in der Midlife Krise steckt, zermürbt vom ausgebliebenen Erfolg, ernüchtert von der eigenen Unsportlichkeit, tief getroffen von der ausbleibenden Anerkennung seiner Mitwelt flüchtet sich der Protagonist in Sexgelüsten, in eine junge Freundin, trennt sich von seiner Lebensgefährtin und hofft noch mal auf das ganz, ganz große Glück.

„Ein aufrecht stehender Sack voller Eingeweide. Qualliges, lilienweißes Fleisch. Was ist lappiger, die Haut oder das Fleisch? Aber das Beste kommt wie immer zum Schluss: der SACK. Ob sich so ein trauriger Sack noch liften ließe? Doppelte Hodenstraffung mit Schwanzbegradigung und Schwellkörpererweiterung. Was er da sieht, hat nun gar keinen Marktwert mehr. Kann er sich gleich morgen mit den anderen Ausgeleierten und Verwelkten zusammentun.
«Geil, geiler Typ, echt geiler Typ», murmelt er vor sich hin.
«Einfach nur noch geil.»“

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Sebastian Fitzek: “Der Heimweg”

Ein problematisches Buch mit Schwächen in der Erzähltechnik.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Sieht man von allem ab, was an dem sogenannten Psychothriller von Sebastian Fitzek stören könnte, bspw. die geschmacklosen Beschreibungen, die laut Autor die Empathie einüben sollen, die aber lediglich dazu dienen, zu überprüfen, ob man Empathie hat oder nicht, so bleibt nichts als eine Erzählmakulatur schlecht zusammengezimmerter, aus herkömmlichen Kriminalromanen zusammengeclickte Schockideen übrig.

Ärgerlich nämlich ist, dass Dinge dem Leser beschrieben werden, die gar nicht der Wahrheit entsprechen. Das führt dazu, dass X als Y über viele Seiten beschrieben wird, bis plötzlich, oh Wunder, X gar nicht Y, sondern Z ist, und so weiter. Das ist in etwa so toll, wie von einem Weltuntergang zu lesen, der plötzlich nur ein Film gewesen ist, den sich jemand auf seinem Fernseher angesehen hat, während er auf seine Pizza wartet.

Der Roman treibt ein unfaires Spiel. Man kann sich auf keine Beschreibung, Benamsung verlassen. Der Autor hält sich an keine Regel – aber wer spielt schon gerne ein Spiel, in dem niemand die Regeln kennt. Am Ende wird also etwas aufgelöst, was ja wieder völlig anders sein kann. Aber wen, darf man fragen, interessiert dann die Auflösung noch?

Irgendwie enttäuschend, wahrscheinlich wegen übertriebener Erwartung.