Steffen Kopetzky: “Monschau”

Altmännerphantasien ohne Schwung und Elan – züchtig und herzlos bis zur letzten Zigarette.

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Eine Zeitreise in die Eifel der frühen 1960er der Bundesrepublik Deutschland. Es geht um Alt-Nazis, Aufarbeitung der Vergangenheit, um das Wirtschaftswunder, um Wernher von Braun, um alte Männer, die zu viel essen, humpeln, Kriegsverbrechen begangen haben, um geläuterte Nazi-Ärzte und NSDAP-Mitglieder, um einen griechischen Einwanderer, der sich in eine Sartre lesende, Beauvoir zitierende Konzern-Erbin verliebt, also um das einfache und doch so schwierige Leben der Schönen und Reichen der bunten Nachkriegszeit, die gerne Jazz hören und mit Pocken und Krankheiten nichts zu tun haben möchten.

Karneval, Astronomie, viele historische Details über Kennedy, über Junghans Produkte, über Unwetter in Hamburg und die Etappen einer Pockenerkrankung täuschen nicht darüber hinweg, dass der allwissende Autor konstruiert, die Geschichte auf dem Reißbrett zusammengezimmert und maßstabsgetreu umgesetzt hat. Eiskalt, gerade herzlos wird die biedere Geschichte der beiden Protagonisten erzählt, Vera und Niko. So vorhersehbar, so geradlinig wie eine Reportage in Spiegelmagazinlänge wird die Sprache durch die Story gepeitscht, dass einem die Lust am Lesen vergeht wie bei diesem Satz:

“Beiden war klar, dass sie sich jetzt umarmen würden. Sie hatten ja vorher schon so schön beieinandergestanden. Da war es noch nicht gegangen. Jetzt musste es sein.”

Wer Altmännerliteratur mag, ohne Poesie, ohne Lebensfreude, wer sich züchtige Unterhaltung à la ‚Mad Men‘ mit einem Aquavit zu Gemüte führen will, also wer auf Emotionen, Lyrik, auf Zwischentöne verzichten möchte, die Welt in Schwarz-Weiß liebt, der sollte zugreifen. Langweilig und professionell geschrieben. Der Roman liest sich wie eine Auftragsarbeit vom WDR, um aus der Distanz aktuelle Probleme sozialkritisch zu beleuchten, ohne auf den kleinen Thrill zu verzichten, dass hinter den hellen Zimmern einer Villa ja rehäugige Frauen auf Rettung durch ihre kretischen Ritter warten.

Eine klischierte Männerphantasie mit gebremstem Schaum. Ich empfehle von Alfred Andersch ‚Winterspelt‘ oder ‚Kirschen der Freiheit‘ stattdessen, oder Wolfgang Hildesheimer ‚Nachtstück‘, und wenn es gar nicht anders geht und der Niedergang eines Unternehmens interessiert, eben das Original nämlich Thomas Manns ‚Buddenbrooks‘, oder doch lieber gleich ‚Alexis Sorbas‘ von Nikos Kazantzakis, um wieder Freude am Lesen zu bekommen. ‚Monschau‘ ist nur ein komponiertes, herzloses Retortenstück.

Amanda Gorman: “The Hill We Climb”

Nur der Inaugurationsvortrag und dazu noch in miserablem Deutsch (siehe unten für Beispiel).

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Ganz unabhängig von aller politischen Euphorie oder Dystopie, von einer Parteilichkeit abgesehen. Ich habe mir diesen Text gekauft in der Hoffnung, noch wenigstens ein, zwei Gedichte, eine längere Version, überhaupt irgendetwas Poetisches/Lyrisches zu erhalten. Weit gefehlt. Es handelt sich nur um eine deutsche Übersetzung des frei erhältlichen englischen Vortrages anlässlich Bidens Inauguration. Wie immer man diesen Augenblick für sich beurteilt, es handelt sich mehr um eine Rede, eine Hoffnung, eine Hymne, im Vergleich eben zu Martin Luther King Jr. „I have dream“ … von Literatur/Lyrik/Kunst würde ich nicht reden. Das Politische, Rhetorische drängt sich zu sehr auf.

Zur deutschen Übersetzung lässt sich nichts Gutes sagen. Ich gebe ein Beispiel. Im Englischen heißt es: “We will not be turned around // or interrupted by intimidation, // because we know our inaction and inertia // will be the inheritance of the next generation.”

In der Übersetzung wird daraus: „Wir werden uns von Störmanövern // nicht auf- und nicht abhalten lassen, // denn Trägheit und Untätigkeit // gäben wir als Erbe an die Nachgeborenen weiter.“

Nicht nur die ärgerliche Reminiszenz an Brechts „An die Nachgeborenen“ (im Englischen „To those Born After“), die hier völlig fehl am Platz ist, aus so vielen Gründen, viel gravierender das militärische „Störmanöver“, das im Englischen fehlt und der Sanftheit und Zurückhaltung des Originals gar nicht entspricht. Die Übersetzung ist eine Minutenarbeit. Die Lektüre auch. Ich wiege nicht Kunst mit Geld auf. Wer für eine schlecht übersetzte politische Gospel Geld hinlegen möchte, ist herzlichst dazu eingeladen. Ich war enttäuscht, und ja, ich hätte mir die Produktbeschreibung genauer durchlesen sollen.

Helga Schubert: “Vom Aufstehen”

7 von 5 Sternen! Auf Taubenfüßen brillant – ein wunderschönes poetisches Buch übers Altwerden.

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Helga Schubert schreibt über ihr Leben, über das schwierige Verhältnis mit ihrer Mutter, über die Sorgen, die Politik, übers Leben zwischen den Staaten, die Wende, den Krieg, die Flucht, darüber, wie sie zum ersten Mal durch das Brandenburger Tor ging, wie sie lebt, schreibt, denkt und fühlt, und Finnland das Land der Sehnsucht ihrer hartherzigen Mutter gewesen ist.

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