Kim Young-Ha: “Aufzeichnungen eines Serienmörders”

Kim Young-Ha: "Aufzeichnungen eines Serienmörders"

Ein Krimi der inhaltlich besonderen, sprachlich gesehen leider der etwas zu einfachen Sorte.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2022…

Dass Literaturkategorien höchstens zur sehr groben Orientierung dienen, beweist der Roman „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Kim Young-ha. Dieser rangiert unter Krimis. Wer nun meint, er bekomme den nächsten Simon Beckett oder Sebastian Fitzek geboten, oder einen Brunetti-Roman von Donna Leon, der täuscht sich. Er bekommt etwas geboten, und zwar eine polithistorische Parabel auf Gewalt, Vergessen, Schuld und Sühne in einem heimgesuchten Land, das genug Tote für viele weitere Generationen gesehen hat: Südkorea. Es handelt sich also um einen Fall, der sich nicht so leicht lösen lässt. Der Roman handelt von einem an Alzheimer erkrankten Serienmörder, Byongsu Kim.

»Glauben Sie [Byongsu Kim], dass Sie zu Unrecht beschuldigt werden?« Diese Frage belustigt mich. Der Mann [Kommissar Jutae Park] unterschätzt mich. Das missfällt mir am meisten. Hätte man mich früher gefasst, wäre ich nicht so leicht davongekommen. Unter Chunghee Park hätte man mich sofort gehängt oder auf den elektrischen Stuhl gesetzt.“

Das Setting selbst könnte nun für einen einfallsreichen Krimi bereits ausreichen. Je weiter man sich aber auf die Welt Byongsus einlässt, desto mehr drängt sich der Eindruck auf, dass „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ eine Parabel auf das Nachkriegskorea ist, dass die Schuld, das Vergessen, der Versuch eines Neuanfanges synchronisiert sind mit den politischen Entwicklungen eines aus Gewalt hervorgegangenen Landes.

„Ein Sportplatz. Ich erinnere mich, wie die Menschen zusammenströmten. Auf dem Platz fand eine Volkskundgebung statt. Der Norden hätte Guerillakämpfer entsandt, ein US-Kriegsschiff sei gekapert, die Präsidentengattin erschossen worden. Sprecher traten auf und brüllten […] Die Kinder saßen ganz vorn und sahen zum Podium hinauf. Wir wussten, was passieren würde, warteten auf das große Spektakel: das Abschneiden von Gliedmaßen, Fontänen von Blut.“

„Aufzeichnungen eines Serienmörders“ haben wenig mit einem herkömmlichen Kriminalroman gemein. Selbst der Plot ist nicht spannend oder interessant, zumal der Täter und der Schuldige von Anfang an feststeht. Was sich hier entwickelt, ist eine eigenartige Mischung aus Samuel Beckett mit Haruki Murakami, eine Mischung aus dem kafkaesken Affenmenschen in „Erste Person Singular“ mit „Malone stirbt“ oder „Der Namenlose“. „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ gleicht in vielerlei Hinsicht auch Edgar Allan Poes „Das verräterische Herz“. Die Schuld hält wach. Das Klopfen und Dröhnen der Scham durchzieht alle Taten.

Ein Krimi der fürwahr inhaltlich besonderen, sprachlich gesehen leider der etwas zu einfachen Sorte.

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