Maxim Biller: “Der falsche Gruß”

Maxim Biller: "Der falsche Gruß"

Eine Fabel übers Lügen im literarischen und außerliterarischen Sinne.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Maxim Billers Roman „Der falsche Gruß“ ist kurz – und das ist beinahe alles Gute, was man über ihn sagen kann. Von Anfang an wird klar, dass Biller Thomas Bernhard imitiert, einen auf Botho Strauß macht, mit Michel Houellebecq politischer Inkorrektheit kokettiert und einem Christian Kracht versucht den Rang abzulaufen, was die Geschmacklosigkeit der Metaphern angeht. Vor allem jedoch geht es um die Sexualisierung von Politik, Geschichte, und die Freude daran, alles zu zerreden.

„Ich dachte es immer wieder, in immer neuen, halbwegs klaren, zusammenhängenden Worten und Sätzen, aber es half mir trotzdem nicht, mich besser zu fühlen, und als ich mich endlich ausgeweint hatte, stand ich auf – immer noch steif, verzweifelt und verfroren –, ich legte mir die kratzige tschechische Wolldecke um die Schultern, ich stellte mich wie ein alter, einsamer Mann ans Schlafzimmerfenster und sah raus, in der Hoffnung, draußen etwas Interessantes zu sehen, um so vielleicht auf andere Gedanken zu kommen.“

Wie der Ich-Erzähler so hat auch der Roman nichts Eigenes zu berichten. Gäbe es nicht die Schandtaten der anderen, die Verbrechen, Massenmorde, die Vergewaltigungen, Körperverletzungen, die Übergriffe, Angriffe, ein Roman wie „Der falsche Gruß“ hätte kein Thema und der Erzähler hätte nichts zu berichten. Das Thema schließt sich parasitär an die Diskurse um politische und terroristische Gewaltexzesse, und aufgrund dieser parasitären Umschmeichelung lenkt es den Blick auf die Banalität des Bösen, die Hannah Arendt ganz sicher nicht meinte. Das Böse wird deeskaliert, und zwar im primitiven Sinne. Der Coca-Cola trinkende Austauschstudent heißt „Arafat“, und eine körperliche Entgleisung vor einem Berliner Lokal wird gleich ein „Naziverbrechen“, und Literatur wird in der Hermann Lenz-Episode als Familiengeschichte verkauft.

Maxim Biller führt seine Romanfigur vor. Er lässt sie von Anfang an lächerlich dastehen. Er lässt kein gutes Haar an ihr und alles, was ein ängstlicher Mensch anderen antun kann, Intrigen, Verleumdung, Lügen und Fliehen und das Im-Stich-Lassen in Gefahrensituationen, lässt Biller Erck Dessauer ausführen. Ein böser Blick, sagt Hegel, sieht nur Böses. Der Stil kennt keine Distanz und keine körperliche Integrität. Das Buch liest sich wie der Bericht eines Voyeurs, verkappt als Ich-Erzählung. Im Grunde also lästert Biller über seine eigene Erfindung, ohne dass es zu Humor, Witz und Spannung gereicht.

Heinrich Manns „Der Untertan“ ist viel besser aufgrund der auktoriale Distanznahme. Diederich Heßling wird nüchtern betrachtet, nicht von hoher Warte lächerlich dargestellt. Heinrich Mann ist selbst zu entsetzt, beinahe erschreckt über diesen Charakter. Biller jedoch zieht offenkundig Schadenfreude aus der Schwäche, aus den Charakterfehlern und Dummheit seines eigenen Phantasieprodukts. Thomas Bernhard betreibt die Selbstdestruktion in „Auslöschung“ konsequenter. Die Parataxen Billers sind eine schlechte Kopie, wie man im Parallellesen beider Bücher sofort bemerken kann.

Biller hat ein überhebliches Buch in einem lieblos kopierten Stil geschrieben. Wer sich aber darüber belustigt, dass die Hauptfigur beständig nach Nennung des Namens „Adolf“ onaniert, sich sowieso die ganze Zeit nur nach zwischenmenschlicher Nähe sehnt, und dem das Drei-Minuten-Stück „Schrei nach Liebe“ von der Band „Die Ärzte“ nicht ausreicht, dem wird eben dieser Song in schlichter Feuilletonsprache zwei Stunden lang als Roman feilgeboten. Das Niveau bleibt dasselbe.

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