Susanne Abel: “Stay away from Gretchen”

Susanne Abel "Stay away from Gretchen"

Als Dokument 5 von 5 Sternen, aber nicht als Literatur. Kaum mehr als ein Bericht.

Ausführlicher, vielleicht begründeter: https://kommunikativeslesen.com/2021…

Nachdem es nun schon seit Monaten in den Top-Seller-Listen aller renommierten Buchverkäufern gewesen ist, habe ich mich entschlossen, es nun doch zu lesen. „Stay away from Gretchen“ von Susanne Abel schreckte mich bislang (im Buchpreview) ob seiner kargen, ja, fast trostlosen sprachlichen Einfachheit und Sprödigkeit ab. Das Probelesen fand seine Bestätigung. Susanne Abel berichtet. Sie formt keine Ereignisse. Sie gibt zu Protokoll. Sie schreibt hintereinander weg, was gesehen wird. Ein Zeugenbericht, wie intensiv auch immer, wird jedoch zu keiner literarischen Form, wie sehr sich das neumodische Schreiben dies auch auf die Fahne schreibt und in der neuen Sachlichkeit der Bauhaus-Philosophie zelebriert.

„An der Tür einer Baracke drehte er sich noch einmal um und winkte. Greta hob ihre Hand. Am liebsten wäre sie ihm hinterhergerannt. Aber sie blieb stehen. Und sah ihn in der Tür verschwinden. Sie blieb. Wie versteinert. Lange und frierend. Bis sie verstand, dass die Tür verschlossen blieb. Dann ging sie durch die Kälte die zwei Kilometer nach Hause in die kleine Altstadtwohnung.“

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Eva Menasse: “Dunkelblum”

Eva Menasse: "Dunkelblum"

Ein heilloses Durcheinander ohne Fokus. Ein gähnender Abgrund. Viel zu lang.

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Eva Menasse hat einen sehr langen Roman geschrieben. Wer viel liest, liest auch gerne lange Texte. Lange Texte haben den Vorteil, dass sie Figuren entwickeln, Parallelisierungen anbahnen, wie eine Sinfonie Melodien andeuten, ankündigen und erahnen lassen, um dann zum großen Finale zu gelangen. Alles löst sich ein. Brahms Erste. Beethovens Neunte. Aber nicht „Dunkelblum“. In Dörfchen Dunkelblum löst sich nichts ein. Alles bleibt beim alten. Es bleibt im Ungefähren.

„Rund um Dunkelblum übersteigt die Anzahl der Geheimnisse seit jeher die der aufgeklärten Fälle um ein Vielfaches. Es ist, als ob die Landschaft, die hier erst noch wie eine saftiggrün bestickte Samtborte aufgeschoppt und gekräuselt wurde, bevor sie abstürzt ins Flache, Gelbe und Endlose, sich grundsätzlich verwahrt gegen das Durchschautwerden.“

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Alena Schröder: “Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid”

Ein Buch, das zu kurz ist, für das, was es will.

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Wie der Titel so auch das Buch. Es will zu viel. Es will Zeitgeschichte schreiben, Frauenemanzipation rekonstruieren, und die psychologischen Untiefen der aufgegebenen und eingegangenen Mutterschaft erforschen. Sehr gut lesbar, mit manchen schönen Szenen, ja, fast poetischen Bildern, die gelungen in Szene setzen, was Freiheit ist oder sein könnte, ein Leben im Berlin der Goldenen Zwanziger Jahre. Als politischer Roman leider völlig unbrauchbar, und als Rechtfertigungsstrategie, eine nationalsozialistische Familienangehörige nicht zu verteufeln, sondern in ihrem komplexen Umfeld zu verstehen, beinahe ärgerlich. Der Roman entfaltet dort seine Stärke, wo Verwirrung und gefühlsmäßiges Chaos die Überhand nehmen, auf keine Klischees zurückgegriffen wird und sich Schmerz die Bahn bricht. Alena Schröders Roman jongliert mit zu vielem und deshalb fällt vieles zu Boden, zersplittert, entsetzt. Das aber, was am Ende in der Hand bleibt, ist dennoch lesenswert, auf seine bescheidene Art und Weise – die Hoffnung und das Recht der Frauen, nicht auf ihre Mutterrolle vereinseitigt zu werden. Sprachlich neuzeitlicher Standard, glattgeschliffener Stil, inhaltlich eine Tour de Force, aber mit intensiven Passagen, die auf ein weiteres Buch hoffen lassen.